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Entscheidungen treffen – wie wir es tun und warum wir dabei nicht objektiv sind

Inhaltsverzeichnis

Entscheidungen treffen
– wie wir es tun und warum wir dabei nicht objektiv sind

Die Macht psychologischer Effekte

Wie treffen Sie eigentlich Ihre Entscheidungen?

Unser Leben besteht aus Entscheidungen. Sobald wir erwachsen sind, treffen wir Entscheidungen und müssen mit den Konsequenzen leben. Als Führungskraft haben wir noch mehr Verantwortung: Wir treffen Entscheidungen mit denen auch andere leben müssen und von denen das Wohl und Wehe unseres Unternehmens abhängt. Zwar sind wir uns sicher, ganz rational das Für und Wider unserer Entscheidungs-Optionen abzuwägen – doch ist das wirklich der Fall? Treffen Sie Ihre Entscheidungen tatsächlich stets objektiv und gut durchdacht?
Nehmen wir als Beispiel die Personalentscheidung: Kann man auf Basis von Bewerbungsunterlagen und eines Bewerbungsgespräches eine objektive Entscheidung treffen, ob ein Kandidat geeignet ist oder nicht?
Die Forschung widerspricht hier klar: Es ist vielfach belegt, dass es zahlreiche unbewußte Mechanismen gibt, die unsere Entscheidungen beeinflussen und subjektiv machen – so genannte psychologische Effekte. Diese wollen wir uns in diesem Artikel genauer anschauen.

 

Daniel Kahnemann und die Entscheidungsfindung

Unzählige Forscher befassen sich seit Dekaden mit diesen Mustern und damit, auf welcher Basis wir Menschen Entscheidungen fällen. Einer der führenden Köpfe auf diesem Gebiet ist derUS- amerikanischen Psychologe Daniel Kahnemann, die Zeit nennt ihn „den vielleicht bedeutendsten Psychologen unserer Tage“. Zusammen mit seinem 1996 verstorbenen Kollegen Amos Tversky widerlegte er die irrige Annahme, dass in der Wirtschaft auf der Basis von Fakten entschieden würde. Kahnemann und Tversky prägten den Bereich der Verhaltensökonomik; sie untersuchten Anomalien bei Entscheidungen in den Bereichen Wirtschaft und Finanzen. In seinem überaus empfehlenswerten, umfangreichen Buch „Schnelles Denken, langsames Denken“ zeigt Kahnemann, wie der Entscheidungsprozess von statten geht und auf welche nicht fakten- oder vernunftbasierten Entscheidungsmechanismen (Heuristiken) wir zurückgreifen.
Er legt, grob gesagt, zwei Entscheidungssysteme zugrunde:
  • System 1
    entscheidet intuitiv, schnell, unbewußt, von Emotionen gesteuert und ist überlebenswichtig. Leider ist System 1 fehleranfällig.
  • System 2
    bezeichnet das langwierige, rationale Überlegen unter einbeziehen von Fakten, welches weniger Fehler macht, jedoch dadurch, dass es umständlich und anstrengend ist, weniger genutzt wird.
Seine Arbeiten brachten Kahnemann 2002 den Wirtschaftsnobelpreis ein. Ein prägender Satz von Kahnemann:
„Der Mensch ist es nicht gewohnt, scharf nachzudenken.“
Jeder der viele Entscheidungen treffen muss, sollte sich mit dem Thema psychologische Hintergründe der Entscheidungsfindung befassen. Schauen wir uns ein paar der psychologischen Effekte an, die unser Urteilsvermögen Menschen gegenüber unbewußt beeinflussen.

 

 Entscheidungen: Der erste Eindruck. Primacy Effekt.
  • Der erste Eindruck (Primacy-Effekt)

Über Zu- oder Abneigung urteilen wir unbewußt – und das rasant schnell: Ob wir jemanden mögen oder eher nicht, entscheiden wir innerhalb von 100 Milli-Sekunden. Die Zeit nach dem ersten Eindruck nutzen wir, um unsere Zu- oder Abneigung zu untermauern, zu rechtfertigen und zu rationalisieren. Dies belegt die Studie „First impressions“ der US-Forscher Janine Willis und Alexander Todorov von der Princeton University: Auch wenn man länger Zeit hat – der erste Eindruck bleibt prägend.
Ausschlaggebend für den ersten Eindruck, den so genannten Primäreffekt, sind Gerüche und Körpersprache.
Die italienische Forscherin Tessa Marzi von der University of Florence und ihr Team fanden heraus, dass unser Gehirn sich zuerst einen Eindruck verschafft, ob die Person vertrauenswürdig erscheint oder nicht. Dieser schnelle, unbewußte Vorgang ist evolutionär bedingt, denn unter manchen Umständen ist es lebenswichtig blitzschnell einzuschätzen, ob man einem ein Freund oder Feind gegenüber steht.
Der Primacy-Effekt oder auch Primäreffekt ist ein psychologisches Gedächtnisphänomen: Informationen, die zuerst aufgenommen werden bleiben präsent, wohingegen andere relevante Informationen aufgrund des späteren Zeitpunktes in den Hintergrund geraten.
Um den Primacy-Effekt zu veranschaulichen haben wir hier ein Beispiel-Test des bereits erwähnten Psychologen Daniel Kahnemann.

 

Bitte lesen Sie schnell und beurteilen Sie spontan, wer Ihnen sympathischer ist:
– Alan ist intelligent, fleißig, impulsiv, kritisch, stur und eifersüchtig
– Ben ist eifersüchtig, stur, kritisch, impulsiv, fleißig und intelligent
Studien belegen, dass die meisten Menschen Alan für sympathischer halten, obwohl die den beiden Namen zugeordneten Adjektive die gleichen sind, die nur in anderer Reihenfolge genannt werden.
  • Der letzte Eindruck (Recency-Effekt)

Das Letze, das gesagt oder getan wird, bleibt ebenfalls wesentlich deutlicher in Erinnerung als all das was in der Zeit zwischen Beginn und Ende eines Kontaktes kommuniziert wird. Der Recency-Effekt, zu deutsch Rezenzeffekt –  ist so wie der Primacy-Effekt eine Gedächtnisverzerrung. Informationen, die zuletzt wahrgenommen werden oder kürzlich Ereignisse werden bevorzugt erinnert – und somit unverhältnismäßig stark zur Urteilsbildung herangezogen. In der Werbung macht man sich dies zunutze: Die wichtigsten Botschaften, die, die in Erinnerung bleiben sollen, kommen stets am Ende.
  • Der Halo Effekt

 

Frederic L. Wells entdeckte den Halo Effekt bereits 1907. Halo ist das englische Wort für Heiligenschein. Der Halo-Effekt beschreibt eine besonders augenscheinliche positive Eigenschaft, die – wie ein Heiligenschein – weitere Eigenschaften überstrahlt: Findet man eine Person erstmal sympathisch, das blendet man leichter unangenehme Eigenschaften aus. Und nicht nur das: Oft rechnet man dem Betreffenden weitere positive Eigenschaften zu, die er gar nicht hat. So erscheint zum Beispiel ein Bewerber auf eine Stelle, der einen sympathischen ersten Eindruck gemacht hat, automatisch in einem besseren Licht, wird z.B. eher für kompetent erachtet als Bewerber mit der gleichen Qualifikation, was den Gesamteindruck unverhältnismäßig beeinflusst.

 

  Entscheidungen Mini Me Effekt
  • Der Mini-Me-Effekt

Die US-amerikanische Soziologin und Professorin für Betriebswirtschaftslehre Rosabeth Moss Kanter von der Harvard Business School entdeckte 1977 den Mini-Me -Effekt. Sie stellte fest, dass  es in Auswahlverfahren eine Tendenz zur Ähnlichkeit gibt, denn Ähnlichem vertraut man schneller. – Was bedeutet, dass Menschen dazu neigen, diejenigen Menschen auszuwählen, die ihnen selbst am ähnlichsten sind. Dabei kann es um äußere Ähnlichkeiten gehen, um Herkunft, dieselbe Uni oder das gleiche Hobby, es kann um Persönlichkeitsmerkmale gehen, aber auch um Ethnie oder Geschlecht. So neigen Männer unbewußt dazu am ehesten Männer einzustellen. Der Mini-Me-Effekt auch Klon-Effekt genannt wird als einer der Hauptgründe angeführt, warum in Top-Positionen immer noch hauptsächlich Männer zu finden sind.

 

  • Der Chamäleon-Effekt

Auch beim Chamäleon-Effekt gefällt das Gegenüber durch Ähnlichkeit, hier allerdings durch Ähnlichkeiten im Verhalten. Gleicht sich ein Mensch dem anderen an in Sachen Körpersprache, Sprechweise, Art des Ausdrucks, so schafft dies Sympathie. Diese Art des Spiegelns wird auch Mimikry oder – im NLP – Rapport genannt. Meist geschieht dies unbewußt, doch natürlich lässt sich dieser Effekt auch manipulative nutzen, wenn dezent und unbemerkt gespiegelt wird. Wer den Chamäleon-Effekt bewußt oder unbewusst nutzt, ist im Vorteil.
Die Psychologen Piotr Winkielman, Liam Kavanagh, Christopher Suhler und Patricia Churchland von der Universität von Kalifornien in San Diego fanden heraus, dass es allerdings eher kontraproduktiv ist unfreundliches, aggressives oder ablehnendes Verhalten zu spiegeln, den dies schaffe nicht die gewünschten Sympathien.

 

  • Der Rosenthal-Effekt

Der Rosenthal-Effekt ist einer der stärksten bekannten Effekte. Es geht um die „sich selbst erfüllende Prophezeiung“: das heißt wir modifizieren unser Verhalten so, dass wir die Erfüllung unserer Erwartungen damit fördern.
Der US-amerikanische Psychologe Robert Rosenthal befasste sich bereits in den 1960er Jahren damit, welche Auswirkungen unsere Einstellungen, Haltungen und Erwartungen auf Situationen haben. In den Jahren 1965/66 führte er zusammen mit Lenore Jacobson ein Experiment an Grundschulen durch: Sie nannten den Lehrern Namen von Schülern, denen sie Leistungssteigerungen prognostizierten, wie sie mittels eines Tests herausgefunden haben wollten. Jedoch waren diese Schüler per Losverfahren ermittelt worden. Spätere Tests zeigten, dass sich die Leistungen dieser – rein zufällig gewählten Schüler – besonders ausgeprägt gesteigert hatten. Dies führte zu dem Schluss, dass die Erwartungen an die Schüler dazu geführt hatten, dass diese anders beurteilt und behandelt wurden.
Schafft es ein Bewerber positive Erwartungen zu wecken, so hilft ihm der Rosenthal-Effekt. Und natürlich funktioniert dieser auch anders herum: Geht ein Bewerber mit positiven Erwartungen ins Gespräch, so wird er als kompetenter wahrgenommen, als jemand mit den gleichen Kompetenzen, der eher einen negativen Verlauf erwartet.
Das, was wir erwarten, wie eine Person ist, beeinflusst unser Handeln und unsere Kommunikation mit ihr.  Und dies wiederum beeinflusst das Verhalten dieser Person in Richtung des Erwarteten. Man nennt den Rosenthal-Effekt auch Pygmalion-Effekt.
 Recency Effekt und Rosenthal Effekt

 

Psychologische Effekte im Alltag

In Ratgebern für Bewerbungsgespräche wird übrigens auf diese psychologischen Effekte hingewiesen. So bekommen Stellenbewerber Tricks und Tips an die Hand, wie sie sich diese Effekte dem Personalverantwortlichen gegenüber gezielt zunutze machen können.
Sie sehen – unsere Entscheidungen treffen wir durchaus nicht immer rational. Psychologische Effekte haben einen großen Einfluß auf unser Handeln, ohne das wir davon wissen.
Achten Sie im Alltag mal darauf, wie Sie selbst auf andere Menschen reagieren, was Sie fühlen – und reflektieren Sie:  Welcher psychologische Effekt könnte da die Hände im Spiel haben?

 

Links und Quellen zum Thema Entscheidungen treffen und psychologische Effekte:

Entscheidungsfindung und psychologische Effekte  – das sind interessante Themen über die Sie vielleicht mehr erfahren wollen.

 

Wir haben Ihnen hier eine Liste relevanter Artikel zusammengestellt:

 

Artikelsammlung zu Daniel Kahnemann und Entscheidungen

  1. Klarer Denken
  2. Psycho Tricks fürs Bewerbungsgespräch
  3. Bewerbungsgespräche: Vorlautes Gör oder Arbeitsbiene?
  4. Bewerberauswahl – eine rationale oder eine emotionale Entscheidung?
  5. Wie zwei Psychologen unser Denken veränderten
  6. Schreck der Ökonomen

 

Sie wollen mehr wissen zum Thema psychologische Effekte? 

 

Hier einige Literaturempfehlungen:

  • Rosabeth Moss Kanter (1977): Men and Women of the Corporation.
  • Daniel Kahneman (2012): Schnelles Denken, langsames Denken. Siedler Verlag: München

Die Autorinnen

Kassandra Knebel
Susanne Grätsch
Berliner Team