Industrie 4.0:
8 Tipps zum Umgang mit disruptiven Veränderungen.
Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit
Industrie 4.0. – was kommt auf uns zu?
Seit der Jahrtausendwende nimmt die Schlagzahl von umwälzenden Veränderungen zu, die alle Bereiche unserer Gesellschaft und der Wirtschaft gleichermaßen erfassen. Wer hätte sich solche Entwicklungen träumen lassen? Wer hätte im Jahr 2000 geglaubt, dass heute jeder Schüler einen leistungsfähigen Computer in der Hosentasche hat, der Videos in HD dreht, als Navigation fungiert und mit dem man Musik on demand hört? Und einigen Experten zufolge haben wir bislang nur einen Bruchteil der Veränderungen gesehen, die noch vor uns liegen.
Unter dem Stichwort Industrie 4.0. kündigt sich eine nächste industrielle Revolution an. „Internet der Dinge“ ist das Schlagwort, das die nahtlose Integration von Objekten in das Informationsnetz benennt. Das Internet verbindet sich mit intelligenten Maschinen, Systemen und Prozessen zu einem leistungsstarken Netzwerk. Damit wird die reale Welt zu einem einzigen riesigen Informationssystem.
Die Fantasten von damals sind die Marktführer von heute.
Das Wesen von umwälzenden – disruptiven – Veränderungen besteht darin, dass sie mit ihrer Neuerung bestehende Produkte obsolet machen. Wer braucht heute schon noch Kalender, Diktiergerät, Kassetten, Fotoapparat und Kompass? Aus heutiger Perspektive können wir erkennen, dass es andere Entwicklungen gab, als wir in der Vergangenheit erwartet haben. Und mit der Industrie 4.0. wird die Veränderungsgeschwindigkeit noch einmal um ein Vielfaches ansteigen.
Aber wie können wir unsere Unternehmen auf solcherlei unerwartete und umwälzende Entwicklungen vorbereiten? Wie können wir zu denen gehören, die von Anfang an dabei sind? Es gibt zwei Möglichkeiten: Wir können abwarten, was die nächsten Jahre bringen und dann auf Veränderungen reagieren. Vielleicht ist es dann zu spät… Oder wir können selbst zu denen gehören, die zukünftige Veränderungen gestalten.
>>> Lesen Sie hier: Wie Super-Entrepreneure ungewisse Zukunft in Erfolg umwandeln.
Zukunft kann man gestalten!
Um das zu erreichen, müssen wir uns hier und jetzt um die Zukunft kümmern. Trendforscher Lars Thomsen berichtet, dass weniger als 1% der Arbeitszeit eines CEO in den USA dafür eingesetzt wird, um über die Zukunft nachzudenken. Kein Wunder also, dass so manches Unternehmen die Zeichen der Zeit übersehen hat und von neuen Technologien abgehängt wurde. Und schlimmer noch: Daran zugrunde ging.
Ein prominentes Beispiel dafür ist Kodak. 100 Jahre lang war das Unternehmen Weltmarktführer. Noch im Jahre 1990 lag es auf Platz 18 der Fortune 500 Liste. Wer hätte vermuten können, dass es schon 2012 die Insolvenz anmelden musste? Den Grund für seinen Untergang hatte Kodak selbst geliefert: Es entwickelte die digitale Fotografie. Jedoch unterschätzte es deren kommende Erfolge. Denn anfangs waren die digitalen Bilder von schlechter Qualität und man rechnete mit geringen Margen. Doch die breite Masse der Konsumenten war schnell von der neuen Technologie begeistert: Man konnte die Bilder einfach kopieren, bearbeiten ausdrucken, viel mehr Fotos machen und sparte an Film und Entwicklung. Auf professionelle Qualität konnten die meisten verzichten, wogen doch Einfachheit und geringer Preis diesen Nachteil schnell wieder auf. Dass Kodak der neuen Technologie keinen Boden zum wachsen gab und somit andere den neuen Markt besetzten, liess den Riesen Kodak schlussendlich zu Boden gehen. Die zerstörerischen Auswirkungen, die neue, bahnbrechende Innovationen auf bestehende Unternehmen haben können, haben ihnen einen wenig schmeichelhaften Namen eingebracht:
Disruptive Technologien (engl. disrupt – unterbrechen, zerreißen)
Als disruptive – also zerstörerische – Technologie bezeichnet man neue Produkte, Dienstleistungen oder Geschäftsmodelle, die Bestehendes verdrängen, so wie das Auto das Pferd verdrängt hat. Sie sorgen für Marktverschiebungen. Dabei sind diese Innovationen keine Verbesserungen der alten Technologien, so genannte evolutionäre Innovationen. Sie sind radikale Innovationen, denn sie setzen völlig neu an und eröffnen somit einen neuen Markt. Harvard Professor Clayton M. Christensen hat die Idee der disruptiven Innovationen zum ersten mal 1997 in seinem Buch The Innovator’s Dilemma. Warum etablierte Unternehmen den Wettbewerb um bahnbrechende Innovationen verlieren (ISBN 978-3-8006-3791-1) formuliert.
In diesem Video erklärt Professor Clayton M. Christensen seine Theorie in englischer Sprache (7 min):
Beispiele für disruptive Innovationen
Von der Kassette & CD – zu Spotify
Vom Reisebüro – zur online Buchung
Vom Benzinmotor – zum Elektroauto
Von fossilen Brennstoffen – zu Wind- und Sonnenenergie
Vom Buchladen – zum amazon e-book
Warum viele große Unternehmen den Wandel verschlafen und disruptive Innovationen ablehnen.
- Anfangs sind neue Technologien noch nicht gut genug.
Insbesondere im Vergleich mit den bestehenden Technologien schneiden sie schlecht ab. So waren die ersten Elektroautos umständlich zu laden, fuhren nur kurze Strecken und waren sehr teuer. - Die Innovationen sind anfangs nicht rentabel.
Die sich neu entwickelnden Märkte bringen nicht die gewohnten Gewinne. Daher wird nicht auf diese Produkte gesetzt. - Oft muss ein komplett neues Geschäftsmodell entwickelt werden.
Das kann man in der Musikindustrie beobachten: Der Verkauf physikalischer Tonträger funktioniert völlig anders als die online Musik- Flatrate. Dies gefährdet die bestehenden Strukturen. Wenige haben Lust, sich selbst zu gefährden. - Key Performance Indikator:
Alte Messinstanzen mit denen der Erfolg der bestehenden Technologien gemessen wird, können die neuen Technologien nicht richtig erfassen und bewerten sie als nicht erfolgreich. - Man betrachtet die Neuerung als „Kannibalisierung“
und fürchtet um das bisherige Geschäft. - Alt und neu konkurrieren um Ressourcen.
Diesen Kampf gewinnt zumeist das bestehende, erfolgreiche Geschäftsmodell. - Die Firmenkultur lässt radikale Innovationen nicht zu.
>> Lesen Sie hier:
Berufe mit Zukunft – wird es Ihren Beruf in Zukunft noch geben?
Wenn die disruptive Innovation erkannt ist – Was dann? Oder: Einfach umfunktionieren funktioniert nicht.
Als der Online- Handel in den Kinderschuhen war, beging der Otto- Versand einige Fehler, die ihn fast die Existenz gekostet hätten: Bisher hatte er einen umfangreichen Katalog herausgebracht und man bestellte per Telefon. Für die notwendige umfassende Innovation war Otto anfangs zu langsam und zu unflexibel. Der Katalog wurde als große Datei in´s Netz gestellt und man wartete auf Bestellungen – telefonisch und per Postkarte. Doch die alte Vorgehensweise passte nicht zur neuen Umgebung Internet. Erst ca. 10 Jahre später hatte es auch Otto geschafft. 2008 verkaufte der Otto-Versand erstmals mehr über den Internet-Versand als über das klassische Kataloggeschäft. Wie das funktioniert hat? Es wurde ein völlig neuer Bereich mit neuen Mitarbeitern und neuen Strukturen parallel zum Altgeschäft gegründet.
Daimler hingegen begegnete einer potenziell disruptiven Neuerung – dem Carsharing – vorbildlich. Man gründete eine komplett neue Einheit – Car to go. Mit einer völlig neuen Unternehmenskultur: Bunt, jung mit flacher Hierarchie und wenig Struktur unterscheidet sich das Tochterunternehmen Moovel erheblich vom Mutterkonzern – seines Zeichens strukturiert, mit großem Budget, klar definierten Prozessen und starken Hierarchien. Car to go startete klein, mit eigenem Budget und neuer Kultur und konnte so auf seinen Erfolg in einem neuen Gebiet hinarbeiten, ohne am Mutterkonzern gemessen zu werden. Neue Strukturen für neue Ideen – das hat funktioniert!
Ein unterhaltsamer 5-minütiger Trickfilm der Queensland University of Technology Science and Engineering Facility, Professor Robert Perrons zum Thema Disruptive Technologien. In englischer Sprache:
- Neue Einheiten oder sogar ein neues Unternehmen.
Die Gründung einer separate Einheit mit neuer Struktur, bestenfalls eine Aus-Gründung, macht es leichter für Innovationen. Konzernstrukturen sind nicht geeignet, um disruptive Innovationen voran zu bringen. Menschen mögen Veränderung nicht. Es braucht kleine flexible Einheiten, die flexibel auf Veränderungen reagieren können und offen sind für Neues. - Geschäftsmodell
Ein völlig neues Geschäftsmodell sollte in Betracht gezogen werden, das zu der Innovation passt. Beispielsweise sind im Zuge der Digitalisierung einige Tageszeitungen dazu übergegangen, ihre eigentliche Leistung zu verschenken, wie z.B. Spiegel-Online. Geld verdienen sie an ganz anderen Stellen. - Keine Vergleiche mit den „alten Produkten“.
Am Anfang sind keine oder kleine Margen die Regel. Deshalb schneidet eine neue Technologie im Vergleich mit den Erfolgen der bestehenden Technologie vorerst schlecht ab. Die neue Technologie braucht eigene Keyperformance Indikator, um eine Chance zu bekommen, dass ihr Erfolg meßbar wird. - Ressourcen
Wichtig ist, dass kein Kampf um Ressourcen stattfindet, denn sonst werden die bisher erfolgreichen Abteilungen diesen Kampf gewinnen und die noch zu entwickelnde geht leer aus und kann sich nicht weiter entwickeln. Bei geteilten Ressourcen braucht es konsequente Regelungen, welcher Teil der Ressource auf den innovativen Zweig verwendet wird. - Eigenes Budget
Es muss Budget in das neue Feld gegeben werden und das braucht Mut. Den hat nicht jeder – und läuft so Gefahr auf der Strecke zu bleiben. Sinnvoll ist es, dass ein Budget in Höhe des „maximal leistbaren Verlustes“ definiert wird. (siehe Effectuation-Ansatz) Wenn man von vorne herein das Risiko des Scheiterns einkalkuliert und dieses erträglich scheint, wird viel Druck von der Innovation genommen und die Freiheit erhöht, innovativ zu sein. - Mitarbeiter
Die bisherigen Mitarbeiter kommen und wollen oft nicht mit. Sie möchten die bestehenden Strukturen erhalten. Das Risiko wäre hoch, dass die bestehenden Mitarbeiter die Veränderung blockieren. Das heißt, oftmals sind es von außen kommende neue Leute, die die Innovation voran treiben werden. So kann eine neue Unternehmenskultur entstehen mit anderer Geschwindigkeit und anderer Denke für ein anderes Klientel. - Stetige Verbesserung der Qualität.
Gerade zu Beginn sollten Sie viel Kapazität auf die Weiterentwicklung der neuen Innovation legen, damit diese schnell aus den Kinderschuhen heraus kommt und rentabel wird. Je schneller dies passiert, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass die Innovation erfolgreich wird.
- Tipping Point
Es braucht ein Hinarbeiten auf den Tipping Point – den Trend-Umkehr-Punkt. Das ist der Punkt an dem die neue Technologie preiswerter wird als die Bestehende.
Bei Elektrofahrzeugen wird dieser Punkt demnächst erreicht.
Die beste Vorsorge: Innovationskultur.
Die beste Vorsorge, um Innovationen mitzukriegen, ist selbst beweglich zu bleiben. Doch wie bleibt ein Unternehmen veränderlich? Durch eine Kultur, die Veränderung annimmt, weil sie Neues liebt.
Ein Beispiel dafür ist Google. Google hat es geschafft, eine Unternehmens-Kultur entstehen zu lassen, in der Menschen sich wohl und frei fühlen und offen für Neues sind. Strukturen und Hierarchien werden weitestgehend abgeschafft, so dass nicht daran festgehalten wird. Google braucht keine Change-Prozesse, sondern lebt konstanten Wandel. Das täglich Neue ist Alltag. Hier ist Freiraum für Innovationen. Diese Ausrichtung auf Veränderung hat einen Grund: Es sind selten die Platzhirsche, die Neues voran treiben. Doch die Neuen beherrschen die Zukunft. Und wer eine disruptive Innovationen zu erst erkennt, entwickelt und etabliert, also der First-mover ist, zu dem kommen die Leute. Das heißt, man sollte der Erste sein, um diesen Vorsprung – den First-Mover-Advantage – zu entwickeln. Wie heißt es doch so schön: Der frühe Vogel fängt den Wurm.
>>> Lesen Sie hier weiter: 10 einfache Tips, wie Sie Innovation in Ihrem Unternehmen fördern
Dieser Artikel ist unser Beitrag zur Blog-Parade „Industrie 4.0: Chancen, Risiken, Ideen und Umsetzungen – was hat Deutschland zu bieten?”. Dort finden Sie weitere Artikel verschiedener Blogger zum Thema Industrie 4.0. Wir danken den Veranstaltern – dem Futability-Blog in Kooperation mit dem Ingenieurversteher-Blog – sehr herzlich, dass wir teilnehmen durften!
Artikel zum Thema im Netz:
http://www.economist.com/node/21542796
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