Wertewandel? – Ist dein Unternehmen langsam & unflexibel? Sind deine Mitarbeiter*innen unmotiviert? Und du findest keine neuen Mitarbeiter*innen? Dann ist es Zeit für einen Wertewandel!
Wertewandel: Definition & Anleitung zum Kulturwandel in deinem Unternehmen
Wir zeigen dir in diesem Artikel, warum Werte in deinem Unternehmen wichtige Motivatoren oder auch Demotivatoren sind. Du lernst, wie du in 10 Schritten einen Wertewandel einleitest.
Dieser Wertewandel sorgt dafür, dass sich die Mitarbeiter*innen in deinem Unternehmen wohlfühlen, motiviert zu Werke gehen und dein Unternehmen die Herausforderungen von Markt, Umwelt, Digitalisierung meistern kann.
Die Wertewandel- Story
From Zero to Hero – Waldemars Wertegang
CEO Waldemar, 56, hat so seine Schwierigkeiten…
Er leitet seit 5 Jahren, InPu, ein schwäbisches Unternehmen, das mit rund 800 Mitarbeitern Bauteile für Industrie-Pumpen herstellt.
Einige Produktions-Standorte befinden sich auch in Indien, und in Shanghai bauen sie gerade ein Joint Venture auf, doch die Zentrale agiert seit über 70 Jahren aus Deutschland heraus. Was die Strukturen angeht, kann man noch nicht wirklich von einem internationalen Unternehmen sprechen.
Was richtig übel ist: Die Stimmung im Unternehmen ist miserabel! Wie bei einer Beerdigung mit zerstrittenener Erbengemeinschaft. Und das seit 5 Jahren…
Schwierigkeiten im Unternehmen: Führung versus Mitarbeiter*innen
Bevor Waldemar zu InPu kam, war er Spartenleiter in einem großen Maschinenbau-Konzern.
Dort war die Atmosphäre konservativ, aber man wusste, mit wem man sprechen musste, um zu erreichen, was man wollte.
So etwas, wie bei InPu hat Waldemar jedoch in all den Jahren nicht erlebt!
– Im Unternehmen herrscht großes Misstrauen:
Die meisten Mitarbeiter*innen scheinen davon auszugehen, dass die Führungskräfte eher zur gegnerischen Mannschaft gehören, dass sie die Mitarbeiter*innen ausbeuten und obendrein akribisch nach Fehlern suchen. Trauen sollte man denen nicht. Deshalb sichern sich die Mitarbeiter*innen mehrfach nach oben ab und halten jegliche Vorgabe millimetergenau ein, auch wenn so manche Situation eher eine kreative Lösung erfordern würde. – Egal, besser Dienst nach Vorschrift als sich Stress einhandeln. Man spürt ihre zentnerschwere Erleichterung, wenn der Feierabend sie endlich von diesem tristen Dasein erlöst…
Schlechte Stimmung im Team
Im Gegenzug trauen auch einige der Führungskräfte ihren Untergebenen nicht recht über den Weg:
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Und ähnlich wie zu Schulzeiten der pingelige Deutschlehrer genüsslich rot anstrich, was er nicht passend fand, halten einige Führungskräfte nicht mit ihrer Kritik hinterm Berg, besonders wenn andere anwesend sind. Das führt zu Mißtrauen und Gerangel untereinander. Die verschiedenen Abteilungen sind auch bei Firmenfeiern oder in der Kantine nicht an einen Tisch zubringen. Das einzige was kurz Einheit herstellen kann ist die Kritik an der Führung.
Seit Beginn seiner Tätigkeit versucht Waldemar frischen Wind in den Laden zu bringen, Spannungen herauszunehmen, moderner zu werden. Aber: Nichts da! Die Belegschaft traut ihm an Schlechtigkeiten so ziemlich alles zu, nur dass er nötige Verbesserungen anschiebt – das nicht.
Sicher, das liegt daran, dass der CEO vor ihm fast ein Jahrzehnt geherrscht hat wie ein Diktator. Aber der Alleinherrscher ist schon seit fünf Jahren weg – und trotzdem haben es sich Angst und Missgunst seither in den Herzen der Mitarbeiter*innen gemütlich gemacht.
Ein paar Lichtblicke gibt es dennoch: Julia, die Personalerin, die kurz nach Waldemar ins Unternehmen kam, Armin und Doris, zwei Abteilungsleiter*innen, Greta seine Sekretärin und einige wenige Mitarbeiter*innen scheinen Lust zu haben, etwas zu verändern. Nur wissen sie nicht wie. Ihre Bereitschaft haben sie jedenfalls signalisiert. Der Ball liegt in Waldemars Feld.
Auch wenn die wenigen Mitarbeiter*innen „auf seiner Seite“ versuchen die Kollegschaft milde zu stimmen, kriegen sie den Wurm nicht raus, der nun mal drin ist.
Herausforderungen von außerhalb des Unternehmens
Als sei das nicht genug, bringen äußere Faktoren weitere Schwierigkeiten mit sich:
Das Unternehmen befindet sich nicht mehr im sicheren Fahrwasser der letzten Jahrzehnte. Konkurrenz aus aller Welt ist hinzugekommen, Anforderungen ändern sich: die Kunden wollen unmittelbar Lösungen finden und nicht tagelang warten. Beschwerden seitens der Kunden über Langsamkeit und mangelnde Flexibilität gab es in letzter Zeit häufiger, aber beim Versuch herauszufinden, wie es künftig besser laufen könnte, schossen die Beteiligten Schuldzuweisungen hin und her. Wirklich konstruktive Ideen gab es nicht.
Ein paar Hoffnungsträger*innen kamen neu ins Unternehmen, aber sie meldeten sich meist nach kurzer Zeit krank und zogen noch vor Ende der Probezeit Leine. Wer kann es ihnen verdenken? Mittlerweile ist es fast unmöglich neue Mitarbeiter*innen zu finden. Das Unternehmen schmort im eigenen Saft.
Welcher Ansatz hilft?
Was tun? Waldemar ist ja nicht blöd. Er hat in den fast 30 Jahren, die er schon in Unternehmensführungen arbeitet allerhand wundersame Methoden kommen und gehen sehen:
TOMS, KAIZEN, OKR und Lean Six Sigma. In letzterem zählt er sich zu den Black Belts. Einiges hat er in der Vergangenheit angewendet und Erfolg damit gehabt.
– Nicht so in diesem Unternehmen. Nichts will fruchten. Er ist mit seinem Latein am Ende. Und er hat langsam auch keine Lust mehr: der Zynismus und die passive Aggressivität im Unternehmen färben allmählich auf ihn ab.
Der Druck von außerhalb des Unternehmens erhöht sich täglich – und der innen auch. Das kann nicht gut gehen… Und so fühlt sich auch Waldemar permanent unter Druck und fragt sich, wie er diesen Karren bloß aus dem Mist ziehen soll. Schliesslich sind seine Mitarbeiter*innen, wenn man sie einzeln antrifft und entspannt über ihre Familien redet auch nur nette Menschen und keineswegs blutrünstige Mitarbeiter-Monster.
Wie schafft er es, sie auf dieser menschlichen Ebene zu erreichen und sie an Bord zu holen?
Unternehmenskultur und Wertewandel
Als Waldemar uns ruft, weht in seinem Unternehmen ein sibirischer Wind. Gute Aussichten: leider keine. Die herrschende Unternehmenskultur ist mehr als unangenehm und schadet dem Unternehmen. – Das muss sich ändern! Wir sprechen mit Waldemar und seinen Vertrauten und genauso mit Menschen an allen möglichen Positionen im Unternehmen. So kriegen wir einen guten Eindruck, was die aktuellen Themen und Haltungen sind – und wo letztenendes der Schuh drückt. Viele sind uns gegenüber erstmal misstrauisch, denn wir kommen ja vom Chef, wer weiß, was das werden soll…
Wie so oft ist schnell klar, dass jeder im Unternehmen sich eigentlich einen angenehmen Arbeitsplatz wünscht. Durch die Verdrossenheit der letzten Jahre gibt es allerdings keine richtige Vision und schon gar keine einheitliche Idee wie es besser werden könnte. Um uns der bestehenden Unternehmenskultur zu nähern, sie zu verstehen und um sie schließlich zu verändern, beschliessen wir mit den Menschen im Unternehmen an und mit ihren Werten zu arbeiten.
Wertewandel? Wieso, weshalb, warum? Und: welche Werte brauchen wir überhaupt?
Unternehmenskultur
Definition Unternehmenskultur
Unternehmenskultur ist die Summe von Werten, Regeln und Ansichten, die bestimmen wie Unternehmensangehörige sich verhalten, entscheiden, mit anderen extern und intern umgehen. Unternehmenskultur wird geprägt durch Glaubenssätze, Geschichten, Rituale, Symbole und die Arbeitsumgebung.
Wenn du mehr wissen willst: Zum Thema Unternehmenskultur haben wir einen sehr ausführlichen Artikel geschrieben: Unternehmenskultur & Kulturwandel: Definition, Beispiele, Erfolgs-Tipps
Ziel: Eine Unternehmenskultur, die zu uns passt
Wenn sich Menschen mit dem Thema Unternehmenskultur auseinandersetzen, dann merken sie es oft sehr schnell, wenn die bestehende Kultur nicht zu dem passt, was das Unternehmen leisten muss.
Zudem sind zwei weitere Faktoren essentiell: Eine Kultur sollte zudem zu den Menschen passen, die im Unternehmen arbeiten, aber auch zu den Menschen, die noch ins Unternehmen kommen sollen.
1. Die aktuellen Mitarbeiter*innen und ihre Werte
Fühlen sich die Menschen im Unternehmen wohl? Gibt es einen Flow? Oder fühlen sich die Mitarbeitenden mit ihren Werten vor den Kopf gestoßen? Gibt es einen Konflikt?
Was ist ein Wertekonflikt?
Wenn es Michaels Berufsethos entspricht, Dinge solange zu bearbeiten, dass deutsche Wertarbeit mit mindestens 10 Jahren Garantie rauskommt, er aber laut Untrnehmensstrategie hopphopp große Mengen an billigen Teilen raushauen soll, dann wird das bei ihm und beim Unternehmen einen Konflikt hervorrufen.
Ein Wertekonflikt ist einer der gewichtigsten Gründe, warum Menschen Unternehmen verlassen: Wenn sie spüren, dass sie mit dem, was ihnen wirklich wichtig ist, nicht landen, dann ist der Drang groß, weiter zu ziehen.
2. Werte im Recruiting – die Werte der zukünftigen Mitarbeiter*innen
Auf der Suche nach neuen Mitarbeiter*innen solltest du dir die Frage stellen: passt unsere Kultur zu den Werten der Menschen, die wir anziehen wollen? Jedes Unternehmen hat mit seiner Kultur eine Ausstrahlung am Arbeitnehmermarkt. Haben die Leute, die dein Unternehmen braucht auch Lust bei euch zu arbeiten? Wenn ihr beispielsweise jemanden sucht, der locker flockig in Start Up-Manier eure Social Media Kanäle bespielt, aber eure Kultur ist in etwa so modern und flexibel wie das Grundbuchamt, dann werden sich Mr und Mrs Social Media Surfer garantiert nicht bei euch bewerben. Und wenn sie es doch tun, sind sie auch schnell wieder weg, weil sie merken, dass eure Kultur nicht zu ihnen passt.
Äußere Werte versus innere Werte
Klar, der interne Zwist und Frust, den die Mitarbeiter*innen in der Kaffeeküche beackern, findet man nicht in der Stellenanzeige. Unser äußeres Erscheinungsbild scheint erst einmal unabhängig von unserer internen Kultur zu sein: Wir alle haben wunderschöne Hochglanz-Internetseiten auf denen wir unser Unternehmen, unsere Mitarbeiter*innen und unsere Mission in höchsten Tönen anpreisen. Alles super bei uns!
Aber: außen hui und innen pfui kommt schnell ans Licht! Durch Plattformen wie Kununu kriegen Interessent*innen sehr schnell mit, wie der unternehmensinterne Hase läuft. Und wenn die existierende Kultur einem Hauen und Stechen gleicht…. – nunja, würdest du dann dort arbeiten wollen?
3.Werte, die wir brauchen
Unternehmenskultur ist viel mehr als der Wohlfühlindikator für (potentielle) Unternehmensangehörige. Es geht nicht allein darum, wie die Menschen miteinander umgehen, sondern auch um die Art, wie Prozesse ablaufen.
In Waldemars Unternehmen zum Beispiel lassen sich die Mitarbeiter*innen jeden Handschlag genehmigen, bestätigen und quittieren, damit es bloß keinen Ärger gibt. Das dauert natürlich: ist die Vorgesetzte Doris nicht da, dann umkreist der Angestellte Uwe ihr Büro wie ein Greifvogel, der auf den richtigen Moment wartet. Und wenn er nach zwei Tagen endlich das Go! bekommen hat, hat die entnervte Kundin den Deal schon mit der verständnisvollen Konkurrenz abgeschlossen, die sofort „klar – machen wir!“ gesagt hat. Wer zuerst kommt.. und so…
Will sagen: wenn du in deinem Unternehmen schnelle Entscheidungen brauchst – und das ist in der heutigen, schnelllebigen Zeit häufig der Fall – dann brauchst du keine stark hierarchische, kontrollierende Kultur. Dann brauchst du eine Kultur, die es deinen Mitarbeiter*innen auch ermöglicht, schnell selbst zu entscheiden.
Nur – Wie kommst du da hin? Wie kannst du eine Unternehmenskultur etablieren, die bisher nicht mal im Ansatz vorhanden ist? Da kommen Werte und Wertewandel ins Spiel…
Werte
Definition Werte
Werte sind emotional besetzte Qualitäten, die Menschen so wichtig sind, dass sie sich an ihnen orientieren; sie sind die Grundlage für Überzeugungen und Ideale; Menschen leiten ihr Verhalten daraus ab.
Warum sind Werte wichtig?
Gesellschaften oder Gruppen teilen oft dieselben Werte. Werte lösen Emotionen aus: Werden sie gelebt, dann fühlt man sich wohl. Jedoch fühlt man sich unwohl, wenn man den eigenen Werten nicht gerecht wird oder wenn man in einem Umfeld unterwegs ist, wo die eigenen Werte verletzt werden.
Werte sind Menschen so wichtig, dass sie dafür ihr Leben verändern oder in Auseinandersetzungen (ja, auch in Kriege) ziehen. Menschen verlassen Unternehmen, in denen sie sich nicht mit den gelebten Werten identifizieren können und bleiben gerne, wenn die Unternehmenskultur zu den eigenen Werten passt. Es lohnt sich also, zu verstehen, welche Werte Menschen motivieren.
Werte sind zum Beispiel
Gerechtigkeit, Fairness, Freundschaft, Wertschätzung, Tradition, Ehrlichkeit, Offenheit, Vertrauen, in Liebe, Neutralität, Konsequenz, Integrität, Individualität, Stärke, Verlässlichkeit, Teamgeist, Disziplin, Kreativität, Bescheidenheit, Empathie, Effizienz, Anstand, Ansehen…
Es gibt natürlich noch viel mehr. Was sie vereint: es handelt sich um Substantive, die man nicht sehen oder essen kann, die aber eine Qualität beschreiben, von der Menschen eine emotionale Vorstellung haben, wie es sich für sie anfühlt, wenn diese da ist. Oder wenn diese nicht da ist.
Warum sind Werte im Unternehmen wichtig?
Klar, du willst mit deinem Unternehmen nicht in den Krieg ziehen, aber es ist anzunehmen, dass auch dein Unternehmen mit so mancher Herausforderung zurecht kommen muss. Und dazu brauchst du motivierte Leute! Leute, die Bock darauf haben euer Unternehmen weiter zu bringen und die gerne tun was sie tun, weil sie es aus Überzeugung tun, weil sie es als sinnvoll erachten.
Jemand der den Wert Nachhaltigkeit hat wird sich bei einem Fast Fashion Label nicht dafür einsetzen, dass Teenagern monatlich neue Billig-Mode auf den Leib geschwatzt wird; kann aber in einem Unternehmen für ökologische, fair produzierte Designermode wahre Wunder bewirken.
Wertewandel
Definition Wertewandel
Wertewandel beschreibt die Veränderung gesellschaftlicher Normen, Weltanschauungen und Werte, welche sich meist über einen längeren Zeitraum vollzieht.
Definition Wertewandel im Unternehmen
Ein Wertewandel ist der Prozess in dem die Differenz zwischen aktueller und gewünschter Unternehmenskultur identifiziert, konkretisiert und dann angegangen wird mit dem Ziel die gewünschte Kultur zu etablieren.
Wie läuft ein Wertewandel ab?
Wertewandel, die Kurzübersicht
Wie, was – Wertewandel? Wie geht das? – Wir geben dir hier zunächst einen kurzen Überblick.
Später zeigen wir dir dann in 10 Schritten, wie du einen Wertewandel in deinem Unternehmen durchführen kannst. Auch virtuell.
1.Werte identifizieren
Im Kreise deiner Mitarbeiter*innen wird das Thema Werte besprochen und folgende Fragen beantwortet:
- Welche Werte sind uns persönlich wichtig?
- Wie sieht die aktuelle Wertelandschaft im Unternehmen aus?
- Welche Werte braucht das Unternehmen, um in Zukunft erfolgreich zu sein?
Danach wird das Ergebnis diskutiert:
Was bedeutet das für unser Unternehmen? Wo stehen wir? Wo wollen wir hin?
2.Werte konkretisieren
Schön und gut. Jetzt habt ihr eure Werte schwarz auf weiß, aber was fangt ihr nun damit an? Irgendwie muss das ja in euren Alltag einsickern.
Aus den von euch definierten Werten entwickelt ihr Leitlinien. Das sind Haltungen, die auf diesen Werten basieren. Ist ein Wert beispielsweise Zuverlässigkeit, dann wäre die Leitlinie: „Wir halten Verabredungen zuverlässig ein!“
Als nächstes leitet ihr aus den Leitlinien Verhaltensweisen ab:
* Wenn zum Beispiel ein Termin für die Abgabe eines Dokumentes vereinbart ist, dann hältst Du Dich dran. Wenn du ihn nicht halten kannst, dann sagst Du rechtzeitig Bescheid.
* Wenn dir jemand eine E-Mail schickt, antwortest du innerhalb von 24 Stunden.
* Oder wenn dich jemand um Rückruf bittet, dann rufst du innerhalb von 24 Stunden zurück.
Natürlich könnt ihr nicht für jede Situation Verhaltensweisen festlegen. Deshalb sind die Verhaltensweisen eher eine Orientierung – so wie Leitplanken an der Autobahn: Du hast mehrere Spuren, kannst fahren wie du willst, aber die Richtung ist klar abgesteckt. Und so merkt ihr auch, ob Verhaltensweisen in den von euch definierten Rahmen passen oder nicht.
3.Werte umsetzen
Der Wertewandel ist initiiert! Jetzt geht es an die Umsetzung im Alltag. Das ist die größte Herausforderung von allen und funktioniert nur durch regelmäßigen Dialog im gesamten Unternehmen: Immer wieder wird die Kultur thematisiert, in Retrospektiven (Rückblicken) das IST und das SOLL abgeglichen, positive Beispiele für gelebte Werte herausgestellt und kritische aufgearbeitet.
Insbesondere die Führungskräfte haben großen Einfluss auf die Kultur und gerade bei diesen muss ein intensiver Prozess einsetzen, damit sich etwas ändert.
Soweit erstmal die Übersicht. Im weiteren Verlauf des Artikels tauchen wir wie versprochen tiefer und ausführlicher in den Wertewandelprozess ein.
Du willst dich erstmal tiefer einlesen in Werte und Unternehmenskultur? Bitteschön:
Unternehmenskultur & Kulturwandel: Definition, Beispiele, Erfolgs-Tipps
Warum Sie Wertemanagement im Unternehmen aktiv gestalten sollten
Das Wertesystem nach Graves: Was Menschen wirklich wichtig ist
Warum ist ein Wertewandel wichtig?
Sicher, es gibt Unternehmen bei denen läuft´s: Kund* innen und Mitarbeiter*innen sind glücklich, alle geben ihr Bestes, das Geschäft brummt, die Personalverantwortlichen werden mit Bewerbungen bombardiert… Hach, wie schön!
AAAAAber – das ist bei den wenigsten der Fall:
Die Gallup Studie
Fangen wir mal an mit: „Alle geben ihr Bestes.“
Jährlich wird der Gallup Engagement Index herausgebracht in dem unter anderem ein Blick auf die Motivation und emotionale Bindung der Mitarbeiter*innen zum Unternehmen geworfen wird. Rosig sind die Ergebnisse nicht: Nur 17% fühlen sich mit ihrem Unternehmen stark verbunden, 68 % haben eine geringe Bindung – und 17 % haben innerlich gekündigt und zotteln sich verdrossen durch den Arbeitstag. Das heißt 85 % der Belegschaft sind nicht besonders motiviert, Glanzleistungen nicht zu erwarten.
Zitat Gallup Engagement Index: „Die volkswirtschaftlichen Kosten aufgrund von innerer Kündigung belaufen sich auf eine Summe zwischen 96,1 und 113,9 Milliarden Euro.“ – Ganz schön happig, oder?
Das muss so nicht sein: Wenn Mitarbeiter*innen ihre Werte im Unternehmen gelebt sehen, entstehen Sinnhaftigkeit und Bindung. Und daraus geht Motivation hervor. – Deshalb ist ein Wertewandel in vielen Unternehmen nötig. Und rechnet sich auch in finanzieller Hinsicht.
VUCA
Über VUCA haben wir schon viel geschrieben. VUCA (Akronym aus dem Englischen: volatil, unvorhersehbar, komplex, mehrdeutig) beschreibt unsere Zeit: durch Digitalisierung, Globalisierung und ein paar Faktoren mehr haben wir eine Zeit des schnellen Wandels. Märkte ändern sich, neue Technik kommt in immer kürzeren Abständen auf den Markt, Kunden haben den Anspruch, dass Unternehmen schnell reagieren sollen. Um es umgangssprachlich zu sagen: „Alles wird immer schneller.“
In Anbetracht dieser Herausforderungen merken viele Unternehmen, dass ihre Unternehmenskultur für diesen schnellen, permanenten Wandel zu starr und zu unflexibel ist. Ihnen dämmert, dass sie sich beweglicher, agiler aufstellen müssen. An diesem Punkt sollte sich ein Unternehmen überlegen, welche Werte es braucht, um erfolgreich zu bleiben oder zu werden.
Recruiting
Auch das klang bereits an: Viele Unternehmen sehen an den ausbleibenden Bewerbungen junger Leute, dass ihre traditionelle Unternehmenskultur für junge Menschen nicht besonders anziehend ist. Linus und Ann-Sophie wollen lieber in einer lockeren Umgebung arbeiten und sich nicht jeden Tag mit Krawatte verkleiden und verstellen müssen. Sie lieben flexible Arbeitszeiten und Eigenverantwortung und strengen sich an, wenn ihnen die Arbeit sinnvoll erscheint.
Wenn jedoch Bewerbungen ausbleiben, dann ist es Zeit, sich die Werte und Kultur im Unternehmen anzuschauen und Veränderungen einzuleiten.
Gründe sich mit den Werten im Unternehmen zu befassen gibt es viele. Und es lohnt sich:
Ein Wertewandel legt die Basis für einen Veränderungsprozess hin zu einem modernen, schnellen und zeitgemäßen Unternehmen.
Wie Werte definieren?
„Ha!“ denkt sich Waldemar „Werte? – Na, das ist ja wohl mal ein alter Hut! – Damit wollen die Berater-Fiffis jetzt bei uns aufräumen? Echt jetzt? – das hatten wir ja wohl schon!“ – Und haut uns zum Beweis ein Hochglanz- Prospekt auf den Tisch:
„Wissen Sie, das mit den Werten haben wir schon vor 3 Jahren gemacht: Ich habe mich mit meinen Abteilungsleitern getroffen und wir haben unsere Werte definiert: Leistung, Qualität – und ähm – noch einen Wert.. ähm… Weiß ich jetzt nicht. Egal! Steht ja im Prospekt. Naja, Greta, meine Sekretärin hat das dann richtig schön in eine PowerPoint zusammengefasst. Nich wahr, Greta? Und dann haben unsere Führungskräfte das durch Meetings im ganzen Unternehmen publik gemacht.“ Er zieht bedeutungsvoll die Augenbrauen hoch: „Gebracht hat das aber gar nichts. Rein gaaar nichts! – Ich wüßte nicht, warum wir das noch mal machen sollten!“
Da hat er recht! Das sollten sie so nicht nochmal machen, denn ein paar Werte aufzuschreiben und dann allen vorzulesen, wird bei den Mitarbeiter*innen nichts anderes in Gang setzen als Augenrollen; schon gar keinen Kulturwandel.
So wie Waldemar und seine Führungskräfte mit Werten hantiert haben, läuft es leider in den meisten Unternehmen ab. Das begegnet uns immer wieder: Da wird in kleiner Runde irgendwas formuliert, was gut klingen soll, aber so fade und austauschbar ist, dass sogar die Marketing-Abteilung abwinkt. Leistung und Qualität… Naja. Blabla…
Mit den Werten, die tatsächlich die Kultur gestalten oder gestalten sollten hat das leider nichts zu tun. Und so verschwinden die so genannten Werte ganz schnell in der Schublade. Klappe zu; Affe tot.
Weiter wie bisher.
Werte von oben versus Werte von allen
Binde alle ein!
Wertedefinition sollte ein quasi demokratischer Prozess sein: Er kommt von unten, jeder kann und sollte idealerweise seine Stimme abgeben und – je mehr Leute sich aktiv einsetzen, desto besser funktioniert´s. Und wie in einer Demokratie gibt es Delegierte. Mit von oben eindiktierten Wertvorstellungen hat das rein gar nichts zu tun.
Wenn ein Wertewandel erfolgreich sein soll, dann ist es wichtig, dass möglichst viele Menschen an der Entwicklung der neuen Kultur beteiligt sind und ein Commitment zu den definierten Werten haben! Das heißt: idealerweise werden alle Mitarbeiter*innen eingebunden, zumindest aber so viele wie irgend möglich.
“Und wenn die Mitarbeiter*innen dann Werte definieren, die wir im Unternehmen gar nicht brauchen können?” wirst du dich vielleicht fragen? Das wäre dann ein Ergebnis, das sehr viel aussagt und mit dem ihr umgehen müsst. Denn ein Unternehmen kann nur erfolgreich sein, wenn die Werte von den Mitarbeitenden getragen werden. Eine Diskrepanz zu ignorieren bringt euch nicht weiter; sie festzustellen ist allerdings ein Punkt an dem ihr ansetzen könnt. – Aber vielleicht versucht ihr es erst einmal mit Vertrauen. Unsere Erfahrung ist, dass die Menschen an der Basis oft erstaunlich gut wissen, was es braucht, damit ihr Unternehmen erfolgreich ist.
Der Weg ist das Ziel: Werte definieren gestaltet Unternehmenskultur
Der Weg das Ziel: Schon das Herausarbeiten der Werte mit Menschen aller Hierarchieebenen macht die Kultur im Unternehmen präsent und hilft, diese zu beleben.
Die Mitarbeiter*innen können äußern, was ihnen wirklich wichtig ist, wie sie die momentane Atmosphäre im Unternehmen betrachten – und durchaus auch Kritik üben. Und auch die Antwort auf die Frage: „Welche Werte brauchen wir um erfolgreich zu sein?“ erfordert ein gerütteltes Maß an Einsicht, Konstruktivität und das Einnehmen der Unternehmens-Perspektive.
Vorsicht vor Platitüden!
Die Werte-Landschaft jedes Unternehmens ist einzigartig. Das heißt die Werte können bei einem anderen Unternehmen komplett gegenteilig sein. Es geht nicht darum Werte für ein Unternehmen zu definieren, die irgendwie überall passen würden – zum Beispiel Vertrauen. Natürlich will jeder Vertrauen. Das wäre ein Allgemeinplatz.
Das Gegenteil von Vertrauen ist Misstrauen – und klar: das will keiner. Es geht also nicht darum Werte zu finden, die jeder in seinem Unternehmen haben will. Vielmehr geht es darum zu ermitteln wo zwischen zwei möglichen Polen anzusetzen ist: der eine wünscht sich Stabilität, die andere will Flexibilität. Uwe braucht Teamgeist, Greta schätzt Individualität. Wo steht das Unternehmen da?
Waldemar schwant, dass seine Wertesammlung „Leistung, Qualität und irgendwas“ – weder Erklärung noch Lösung für die üble Stimmung im Unternehmen bietet, eine unternehmensübergreifende Werteerhebung aber ein guter Start sein könnte. „Es interessiert mich ja doch, was die hier alle haben. Seit 5 Jahren ist der Laden ein Minenfeld. Dauernd dreht wer durch. Lasst uns da mal offen drüber reden.“ Waldemar ist an Bord – es kann losgehen!
Botschafter
In Waldemars Unternehmen arbeiten 800 Menschen. Und die haben natürlich auch noch anderes zu tun als sich ausschließlich mit Werten zu befassen. Für uns heißt das, dass wir eingangs zwar alle mit einer Kick-off Veranstaltung (zum Beispiel online) an Bord holen, dass aber im weiteren Verlauf Delegierte die Mitarbeiter*innen vertreten. In Waldemars Unternehmen sind das in etwa 60 Botschafter*innen. Diese Botschafter*innen besprechen sich dann im kleineren Mitarbeiter*innenkreis und tragen die Ergebnisse ins Plenum. Auf diese Weise können wir die Meinungen aller Kolleg*innen in den Prozess mit einfließen lassen.
Wertewandel: Live oder Virtuell?
Klarer Fall: live mit anderen Menschen zu diskutieren, andere zu treffen, gemeinsam zu lachen – das macht natürlich sehr viel mehr Spaß als auf Bildschirme zu starren! Und wenn es die allgemeinen Umstände und die Gegebenheiten im Unternehmen zulassen, dann ist es eine tolle Erfahrung sich mit allen zu treffen. Keine Frage.
Durch die Pandemie haben wir gelernt, dass wir viele Dinge auch prima hinkriegen, wenn wir nicht alle am selben Ort sind. Und so haben wir in Zeiten von Lockdown und Home-Office mit mehreren Firmen virtuell an deren Werten gearbeitet. Das funktioniert sehr gut und ist zudem weniger aufwendig und kostengünstiger als Live-Treffen in großen Gruppen. „Wir haben so ganz nebenbei im Lockdown einen gigantischen Teamentwicklungsprozess erlebt, der das ganze Unternehmen enger zusammen geschweißt hat“ hat neulich ein Kunde gestaunt.
Auch mit Waldemars Unternehmen arbeiten wir virtuell. Und das macht allen Freude.
Die Basis-Zutaten für einen Wertewandel
1. Spreche mit deinen Mitarbeiter*innen über Werte
Wir haben bei Waldemar gesehen, was garantiert nicht klappt: wenn du von oben eine tolle Kultur anordnen willst, die aber von deinen Mitarbeiter*innen gar nicht getragen wird. – Das wäre die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Wenn du auf einer miesen Party bist und der Gastgeber dauernd sagt: „Was für ein schönes Fest, jetzt lächelt doch mal“ – kommt ja auch keine bessere Stimmung auf..
Um die Werte deiner Mitarbeiter*innen in der angestrebten künftigen Kultur berücksichtigen zu können, musst du deren Werte natürlich erst einmal kennen. Und das heißt deine Belegschaft zu fragen, was ihnen wichtig ist, mit ihnen über Werte und Unternehmenskultur zu sprechen.
2. Wo hakt es im Unternehmen? Prüfe Führung und Struktur!
Wir haben es weiter oben schon beschrieben: wenn in deinem Unternehmen schnell reagiert werden muss, dann braucht es auch Mitarbeiter*innen zu denen das passt. Soweit so gut.
Aber es gibt noch weitere Faktoren. Auch die Führung und die Struktur sollten diesen Wert tragen beziehungsweise dessen Umsetzung möglich machen:
Wenn Mitarbeiter Uwe den Kunden schnell und kulant zufrieden stellen möchte, dann sollte nicht vorgesehen sein, dass er sich seine Kulanz von Doris gegenzeichnen lassen muss. – Nein! Uwe braucht Entscheidungsspielraum und ein Budget. Erst wenn er selbst entscheiden kann, statt seinen Vorgesetzten auflauern zu müssen, kann er der Kundin auch sofort eine Lösung liefern. Uwe gefällt das: „Ich hätte damit mehr Möglichkeiten meinen Job gut zu machen. Es ist ein voll blödes Gefühl, dem Kunden schnell helfen zu wollen, aber nicht zu dürfen. So muss ich die Kunden immer vertrösten.“
Birgit ist ein Mensch, die gerne klare Vorgaben hat und sich mit Routineaufgaben wohl fühlt. Sicherheit ist ein wichtiger Wert für sie. Verantwortung überlässt sie gerne anderen, denn ihre Angst Fehler zu machen stresst sie zu sehr, wenn sie Entscheidungen treffen soll. In ihrem Unternehmen findet gerade ein Kulturwandel hin zu mehr Eigenverantwortung und flexiblen Entscheidungen an der Basis statt. Birgit fühlt sich nicht wohl: „Was? Das haben seit Jahren die Führungskräfte entschieden. Warum soll ich das denn jetzt machen? Wenn ich jetzt auch noch den Job der Führungskraft übernehmen soll, dann bekomme ich aber auch mehr Geld!“ Insgeheim hofft sie, dass dieser Kelch an ihr vorüber geht. Sie hat auch schon nach Stellenanzeigen geschaut. Ein schöner ruhiger Job in einer Behörde… das wärs…!
3. Du brauchst das Commitment des Teams – „Wir sind dabei!“
Es geht nicht bloß darum, dass die Führung die Werte der Mitarbeiter*innen kennt. Es geht auch darum, dass die Mitarbeiter*innen die Werte, die für das Unternehmen nach innen und außen essentiell wichtig sind, kennen, befürworten und unterstützen.
Viel braucht es dafür nicht:
Es reicht, wenn die Kolleg*innen zu ihrer Haltung gefragt werden und dann merken, dass das, was die Belegschaft gesagt hat auch tatsächlich in den Prozess eingeflossen ist. Dabei geht es nicht darum, die Werte jeder Person detailliert aufzugreifen, sondern darum dass sich die Mitarbeiter*innen vertreten fühlen.
Oder wie Uwe das zusammenfasst: „Wir haben zusammen gearbeitet und ich als Mitarbeiter konnte meine Meinung sagen, ich wurde angehört. Ich finde mich wieder im Werteprofil.“ – Klar. Das liegt daran, dass das Profil nicht aus der Luft gegriffen ist. Zwinkersmiley.
Oliver zeigt die Grundlagen für einen Wertewandel:
Was wenn die Werte nicht zueinander passen?
„Ist ja schön und gut“, sagt Waldemar. „Aber ihr seht ja, wie verfahren die Situation bei uns ist. Ich mach mir echt Sorgen, dass die Werte nicht passen. Dass mir was ganz anderes vorschwebt als den Mitarbeitern. – Und was dann? Was mach ich dann?“
Gute Frage! – Diese Bedenken sind realistisch und wir hören sie immer wieder.
Zunächst einmal ist eine Werteanalyse nicht ursächlich dafür, dass Werte im Unternehmen nicht passen. Wie der Druckpatronen- Füllstand zeigt die Werteanalyse lediglich nachvollziehbar an, was gerade ist. – Und gibt zudem Hinweise darauf, welche Schritte als Nächstes angegangen werden sollten.
Der Werte Clash
Ein Beispiel für einen Werte Clash ist der Otto-Versand. Wir erinnern uns: In vordigitaler Zeit brachte der Otto-Versand zweimal im Jahr einen fünf Kilo schweren Katalog mit Mode und Gebrauchs-Gegenständen heraus. Für die Mitarbeiter*innen hieß das Arbeitsziel: „Wie kriegen wir das ganze Warenhaus einmal im halben Jahr in eine Druckvorlage?“
Und nun kam plötzlich dieses verrückte Internet und verlangte, dass Otto ein Online-Unternehmen werden sollte. Unter anderem hieß das, jede Woche neue Artikel herauszubringen. Das war eine ganz andere Tätigkeit und erforderte natürlich eine komplett andere Herangehensweise. Das allerdings behagte den Otto Mitarbeiter*innen so gar nicht; sie hielten lieber am Althergebrachten fest. Der Veränderungsprozess scheiterte. Irgendwann wurde klar, dass Otto für die neuen Aufgaben Kolleg*innen mit anderen Qualifikationen, aber vor allem auch mit anderen Werthaltungen brauchen würde.
Lösungen bei Wertedifferenzen
Es braucht frischen Wind! Manchmal kann es helfen, entscheidende Positionen mit sogenannten „Gamechangern“ zu besetzen.
Eine Möglichkeit ist also: stelle neue Menschen ein, die bereits passende Werte mitbringen und dadurch die bestehende Kultur verändern. Das kann, je nach bestehender Unternehmenskultur, sehr gut funktionieren. – Muss es aber nicht.
Stell dir vor: in einem altbackenen, etwas behäbigen, durch und durch regulierten Konzern tauchen plötzlich neue Mitarbeiter*innen aus der Start up Szene auf. Oh je…! Die einen im Businesszwirn kennen jede Regel beim Vornamen, ansonsten wird gesiezt, die anderen bringen ihr Rennrad mit ins Büro, legen die Füße auf den Tisch und kommen dauernd aufgeregt und duzend mit neuen Ideen an. Da scheint niemandem geholfen zu sein: Die einen fühlen sich aufgescheucht, die anderen wie in Beton gegossen.
Das erinnert Waldemar an Timo, 28. Der kam von Zalando in Waldemars Unternehmen. Morgens warf er ein fröhliches „Hi!“ in die verdutzte Runde. Der Erwartung jedem die Hand zu schütteln kam er nicht nach und war dabei auch noch unverschämt gut gelaunt. Die älteren Herrschaften attestierten ihm einen eklatanten Mangel an Manieren. Binnen Wochen wurde Timo zum Outcast. – Und schon war er wieder weg. Hatte etwas Besseres gefunden…
Der Otto-Versand löste seinen Werteclash so: Otto stellte seinem Unternehmen ein zweites, neues zur Seite. Dies war eine Art Start up, welches ein ganz neues Geschäftsmodell aufzog. Und hier fanden sich jüngere, internetaffine Mitarbeiter*innen ein, die niemandem erklären mussten, warum sie im Sommer Wollmützen trugen.
Der wissenschaftliche Hintergrund für einen Wertewandel: Das Graves Value System
Wir wissen, es gibt richtig viele Werte. Aber wie bringen wir da jetzt Ordnung hinein?
– Diese Arbeit hat der US amerikanische Psychologe Clare W. Graves bereits erledigt. Das von ihm entwickelte Wertesystem nennt sich Graves Value Model (GVS). Professor Graves erstellte ein Wertesystem, basierend auf acht so genannten „Memen“.
Werte Cluster
Diese Meme sind Wertecluster und subsumieren Werte und Haltungen. Jedes Mem bekam eine Farbe, um sie besser unterscheiden zu können.
Die Erklärungen zu den einzelnen Memen sind umfangreich, wir haben ihnen deshalb einen eigenen Artikel gewidmet: Das Spiral Dynamics Wertemodell: Was Menschen wirklich wichtig ist
Übersicht Werte Meme nach Graves
Hier eine kurze Übersicht über Farben und ihnen zugeordnete Werte:
1. Beige – Überleben (dieses Mem braucht es in der Unternehmenswelt – gottseidank – nicht)
2. Lila – Identifikation, Zusammengehören, Sicherheit in der Gruppe
3. Rot – Macht, Kampf, Energie, Wettbewerb, impulsiv, egoistisch
4. Blau – Ordnung, Struktur, Klarheit, Regeln einhalten
5. Orange – Leistung, Erfolg, Gewinnmaximierung, unternehmerisch
6. Grün – Gemeinschaft, team-orientiert, egalitär, menschlich, konsens-orientiert
7. Gelb – Synergie, integrativ, pragmatisch, flexibel, vernetzen, lernen, kreativ
8. Türkis – Nachhaltigkeit, holistisch, ökologisch, auf Konsequenzen bedacht
Was ist ein Werte Mem?
Wir erklären das beispielhaft und in aller Kürze am blauen Mem Ordnung.
Im blauen Ordnungs-Mem finden wir Werte wie Klarheit, Regeln einhalten, Struktur, Ordnung, Kontrolle. Mit diesen Werten sind wir in einem stabilen Umfeld mit einer höheren Ordnung erfolgreich, wie zum Beispiel in einem von stabilen Gesetzen regulierten Markt. Wird die Umwelt jedoch dynamischer, kommt das System an seine Grenzen.
In einer Umwelt, die sich laufend verändert und sehr komplex ist, braucht es die Werte aus dem gelben System wie Flexibilität, Transparenz, lebenslanges Lernen, kreative Zusammenarbeit, um erfolgreich zu sein.
Clare Graves sagte: „Es gibt nicht bessere oder schlechtere Wertesysteme, aber es gibt zu den jeweiligen Bedingungen passende oder weniger passende Werteysteme. Mit komplexer werdenden Anforderungen aus der Umwelt sind immer höher entwickelte Wertesysteme notwendig, um in der jeweiligen Umwelt erfolgreich zu sein.“
Der Prozess auf Basis des Graves Value Systems: Die Value Party
Für die Arbeit mit Werten haben wir ein Kartenspiel, die Value Party, entwickelt. Auf den Karten stehen einzelne Werte, die jeweils farblich dem passenden Mem zugeordnet sind. Damit lässt sich die Wertelandschaft eines Unternehmens sehr gut darstellen.
Unser Ziel ist es mittels der Karten abzubilden, was wir oben detailliert beschrieben haben: was sind…
- …die individuellen Werte der Mitarbeiter?
- …aktuell gelebte Werte im Unternehmen?
- Und welche Werte sollten gelebt werden, um erfolgreich zu sein?
Value Party: Virtuell oder live?
Grundsätzlich: es geht beides und Mischformen gibt es natürlich auch.
Vor der Pandemie haben wir hauptsächlich mit Präsenz-Formaten gearbeitet. Und wie eingangs erwähnt: den meisten macht es mehr Spaß live mit den Kolleg*innen zu reden.
Aber hey, niemand braucht sich durch Lockdowns oder Homeoffice von derart wichtigen Entwicklungs-Prozessen abhalten zu lassen.
Für Unternehmen mit mehreren Standorten ist virtuell ohnehin der praktischere Weg: Es braucht keine großen Räume, keine Anfahrtszeiten oder Reisekosten und ist dadurch sehr viel weniger Zeit- und Geld-aufwändig.
Wir haben mit virtuellem Wertewandel gute Erfahrungen gemacht und freuen uns dies auch nach der Pandemie weiterzuführen.
10 Schritte zum Wertewandel
1. Schritt zum Wertewandel: Der Kick Off
Die Vorbereitung
Wir bringen Botschafter*innen und Führungskräfte in einem virtuellen Kick Off- Workshop zusammen, vermitteln die Hintergründe und bereiten sie auf die Gespräche mit den Mitarbeiter*innen vor.
Die Stimmung bei InPu ist gut. Botschafter*innen und Führungskräfte sind optimistisch und aufgeregt. Sie freuen sich drauf in Kontakt zu gehen – und vor allem wollen sie die dunklen Wolken verscheuchen, die für jeden spürbar seit Jahren über dem Unternehmen hängen.
Uwe freut sich, dass er als Botschafter fungieren darf. Er hat sich oft darüber geärgert wie es im Unternehmen läuft und gemeinsam mit anderen darüber geschimpft. Aber er hat nie konkrete Möglichkeiten gesehen etwas zu ändern. Das war frustrierend. Jetzt fühlt er sich ein bißchen wie damals als Klassensprecher und freut sich auf offene Ohren zu treffen.
Waldemar ist nervös. Er muss sich jetzt erstmal zurückhalten und abwarten. „Ob das mal alles klappt?“
Der Kick Off mit allen
Mit einer weiteren, kurzen Kick Off Zoom-Sitzung wird sämtlichen Mitarbeiter*innen das Vorhaben vorgestellt. Es gibt die Möglichkeit sich in kleinen Gruppen zum Gehörten auszutauschen.
Im Chat schreiben die InPu-Kolleg*Innen ein paar Kommentare; Waldemar wirft einen neugierigen Blick darauf: Es gibt einige hoffnungsvolle Aussagen, aber auch viel Skepsis. Viele möchten anonym bleiben. Doch immerhin wissen jetzt alle im Unternehmen Bescheid. Es kann losgehen!
Aller Anfang ist schwer! Hier ein Video indem Susanne erzählt, wie man Mitarbeiter*innen von einem anstehenden Wandel begeistert.
2. Schritt zum Wertewandel: Die Werte bei den Mitarbeitenden abfragen
Es finden kleine Workshops und Vieraugen- Gespräche statt: Die Botschafter*innen aus den eigenen Reihen sowie die Führungskräfte bitten die Mitarbeitenden um ihre Einschätzung.
- Was ist dir persönlich wichtig?
- Wie fühlst du dich bei der Arbeit? Was läuft, was nicht? Wie nimmst du den Umgang im Unternehmen wahr?
- Was glaubst du, brauchen wir um erfolgreich zu sein?: Was denkst du, wenn du die Herausforderungen der nächsten Monate und Jahre siehst? Was denkst du, was für eine Kultur wir dafür brauchen werden? Welche Werte sollten dafür gelebt werden? Was ist da wichtig?
Zwei Perspektiven
In Waldemars Unternehmen bekommen die Mitarbeiter*innen diese Fragen jeweils von einer Botschafter*in und von einer Führungskraft gestellt. – Warum?
Mit den Botschafter*innen können die Mitarbeitenden ohne Angst vor Hierarchien und Konsequenzen sprechen. Hier herrscht die größtmögliche Offenheit und die braucht es auch!
Wir haben dennoch beide Seiten mit in den Prozess genommen, da die Führungskräfte Kulturbildner sind, also Personen von denen die Unternehmenskultur in hohem Maße beeinflusst wird. Im Gespräch mit ihren Mitarbeiter*innen erhalten die Führungskräfte ein Gefühl dafür, was ihren Mitarbeiter*innen am Herzen liegt. Und das weit mehr, als wenn man ihnen nur davon erzählen würde. Und: über Werte zu sprechen ist schon Teil des Wertewandel- Prozesses.
Führungskraft Doris drückt es so aus: „Das ist gut gelaufen. Ich war offen, was da rauskommt, aber kritisch.. Es ist ja auch nicht das erste Mal, dass wir was probieren. Ich bin echt überrascht, dass ich mit allen so intensiv habe sprechen können. Außerdem hab ich jetzt das Gefühl, dass wir alle in einem Boot sitzen. Das hatte ich vorher nicht.“
3. Schritt zum Wertewandel: Das Wertestatement auf dem (Online) Whiteboard erstellen
Auf einem gemeinsamen Online-Whiteboard nutzen die teilnehmenden Botschafter*innen die von uns entwickelten Werte-Karten, die die Werthaltungen der Befragten widerspiegeln. So setzt sich ein Gesamtbild zusammen.
Wie genau wir die Karten nutzen und auswerten liest du in unserem Artikel: Wie Sie ein Werteprofil erstellen und damit Ihr Unternehmen verändern.
Waldemar haut´s fast vom Stuhl. Endlich ist mal ausgesprochen beziehungsweise aufgeschrieben was er die ganze Zeit schon wahrnimmt! Er ist emotional berührt. „Wow. Ich kann meine Leute verstehen. Das ist mir viel Wert! – Aber wie kriegen wir das jetzt zusammengefasst? Wie werd ich da schlau draus?“
Kein Problem: im nächsten Schritt bringen wir die Statements zusammen:
4. Schritt: Das Werteprofil erstellen
Die Wertestatements werden zu einem Werteprofil zusammen gefügt. Am Ende gibt es zu jedem Wertecluster wie z.B. Energie, Ordnung, Gemeinschaft oder Synergie drei Balken.
Diese zeigen an:
- Erster Balken jeder Farbe: wie wichtig die Mitarbeiter*innen persönlich dieses Wertecluster finden,
- Zweiter Balken jeder Farbe: wie sehr es im Unternehmen gelebt wird (Unternehmens- IST)
- Dritter Balken jeder Farbe: wie wichtig die Mitarbeiter*innen dieses Meme für den Erfolg der Firma halten (Unternehmens- SOLL)
Hier sehen wir das Werteprofil aus Waldemars Unternehmen InPu.
Ein paar Ausprägungen fallen in dem Balkendiagramm besonders auf:
Stinkefinger auf rot (Macht/ Energie), blau (Ordnung) und orange (Leistung)
In Rot finden sich Werte wie Kraft, Autorität, Durchsetzung, der Stärkere sein… Ein Wertecluster, das in einem Kontext gelebt wird, in dem es keine klaren Regeln gibt, sondern der Stärkere sich durchsetzt. Hier wird Kraft Wassersuppe entschieden und Menschen tendieren dazu vor den „Oberen“ Angst zu haben. Ober sticht Unter ist die Devise. Dieses Meme hat die Form eines Stinkefingers oder auch Peaks. Das bedeutet, dass die Mitarbeitenden persönlich die Werte dieses Memes so gut wie gar nicht präferieren (erster Balken), dieses Meme aber von sehr vielen als im Unternehmen existent wahrgenommen wird (zweiter Balken). Zudem glauben die Mitarbeiter, dass es viel weniger davon bräuchte, damit das Unternehmen erfolgreich ist. Auf diesem System herrscht also Druck und die Mitarbeiter möchten davon befreit werden.
Auch in blau, Ordnung, finden wir die Stinkefinger-Formation. Auch hier scheint es Druck zu geben. Es gibt also deutlich mehr Regeln, Struktur und Ordnung als die Mitarbeiter sich wünschen oder als sie für die Zukunft für förderlich halten. Ein typisches Bild für hierarchische, bürokratische Unternehmenskulturen.
Ein „U“ auf grün (Team) und gelb (Synergie), ein kleines „U“ auf türkis (Nachhaltigkeit)
Grün steht für Werte wie Gemeinschaft, Konsens, Team, Zusammenarbeit auf Augenhöhe und Fairness. Hier sehen wir eine „U“-Formation, die anzeigt, dass diese Werte vom Großteil der Mitarbeiter*innen für wichtig erachtet werden, und zwar persönlich UND für den Unternehmenserfolg. Im Unternehmen werden die Werte allerdings zu wenig gelebt, es herrscht bei den Mitarbeitenden ein Gefühl von Mangel. Ähnliches sehen wir – leicht abgeschwächt – auf gelb. Auch die gelben Werte, wie Flexibilität, Vernetzung, kreative Zusammenarbeit u.s.w. – wir kennen dieses Mem unter dem Stichwort Agilität – werden von Waldemars Mitarbeitern als Mangel empfunden. Das Meme „Nachhaltigkeit“ mit Werten wie „Orientierung an der Natur“ oder „Verantwortung für die Zukunft des Lebens“ wurde bisher in Waldemars Unternehmen noch gar nicht gelebt, sollte aber in Zukunft ebenfalls mehr Bedeutung erhalten.
Waldemar ist beeindruckt. Das Werteprofil zeigt genau das, was sein Bauchgefühl – natürlich nicht so strukturiert – mitteilt. Endlich ist das diffuse Gefühl damit sichtbar und besprechbar geworden.
5. Schritt zum Wertewandel: Auswerten und Verstehen des Werteprofils
In einer gemeinsamen Veranstaltung – dem ersten „ValueParty-Workshop“ – wird den Führungskräften und den Botschaftern das Werteprofil erläutert.
Auch wichtige Einzelwerte sind sichtbar, zum Beispiel soll der Wert „Flexibilität“ um 15 Punkte nach oben gehen, der Wert „Macht“ um 9 Punkte nach unten, nämlich auf „0“. Die Reaktion der Truppe auf die Auswertung ist ähnlich, wie die von Waldemar. Die Menschen fühlen sich verstanden. Man kommt vorsichtig über die Balken miteinander in den Austausch. Botschafter*innen und Führungskräfte überlegen in kleinen Gruppen von fünf, sechs Leuten, in welchen Situationen sie den Druck oder den Mangel der Meme empfinden, und was das Werteprofil nun konkret für das Unternehmen bedeutet:
- Welches tägliche Verhalten unserer Mitarbeiter*innen und Führungkräfte brauchen wir mehr?
- Was brauchen wir weniger?
- In welchen Situation merken wir, dass ein Mangel da ist oder ein Druck?
Uwe hält sich zunächst im Gespräch zurück, doch als er merkt, dass sich alle bemühen offen zu reden, bricht es aus ihm heraus. Er erinnert sich an eine Entscheidung, bei der er aus seiner Sicht die Situation vor Ort mit dem Kunden deutlich besser einschätzen konnte als die oberen Etagen. Doch die Führung hat sich durchgesetzt, ohne ihm richtig zuzuhören. Der Kunde war nicht zufrieden, Uwe auch nicht. Die Entscheidung hat die Situation nicht verbessert, hätte aber das Potential gehabt.
Uwe wünscht sich in solchen Fällen statt rot „Durchsetzung“ mehr grün „Konsens“ oder gelb „Eigenverantwortung“ für ihn, den Menschen vor Ort. Es ist komisch für ihn, darüber zu sprechen, doch er strengt sich an, niemanden persönlich anzugreifen und merkt, dass auch die Führungskräfte – einige heimlich, andere offen – Zustimmung in seine Richtung signalisieren. Das macht ihm Mut.
Greta hat ein anderes Beispiel: „Ich bestelle seit 15 Jahren für die Kundenveranstaltungen meines Chefs ein kleines Mittagessen. Seit 15 Jahren muss ich oft tage- bis wochenlang auf die Unterschrift des Chefs warten, um den immer ähnlichen Betrag ausgeben zu dürfen. Das kostet mich Zeit, die ich wertschöpfender einsetzen könnte, wenn man mir hier einfach vertrauen würde. Sie wünscht sich statt blau – „Regeln einhalten“ – mehr gelb „Persönliche Freiheit“
6. Schritt zum Wertewandel: Welche Werte braucht es jetzt?
Um die Ergebnisse des Werteprofils in den Unternehmensalltag zu übersetzen überlegt jeder der Teilnehmenden, welche Werte es künftig braucht. Worauf muss sich jetzt konzentriert werden, um die angestrebten Werte zu erreichen? Mit welchen Werten wollen wir den Wertewandel gestalten?
Jeder wählt drei Wertbegriffe aus und legt sie in ein (virtuelles) Körbchen. In der anschließenden Kleingruppe sollen sie sich auf bis zu 5 Begriffen je Gruppe einigen. Oft haben die Teilnehmenden zwar unterschiedliche Werte gewählt, die jedoch in eine ähnliche Richtung gehen. Relativ schnell wählt die Gruppe gemeinsam fünf Werte aus, von denen sie denken, dass diese die gewünschte, zukünftige Kultur gut zusammen fassen.
Uwes Gruppe wählt zwei gelbe Werte (Flexibilität und Transparenz), zwei grüne Werte (Team und Fairness) und auch ein orangener Wert ist dabei: Kundenbegeisterung. Den Kunden im Blick zu behalten statt sich in internen Auseinandersetzungen zu verzetteln, ist insbesondere für Uwe und seine Kolleg*innen aus dem Service sehr wichtig.
So kristallisieren sich durch Konsens aus den Kleingruppen Werte- Schwerpunkte heraus.
7. Schritt zum Wertewandel: Auswählen
Der Rat der Wertebeauftragten
Um noch weiter auf den Punkt zu kommen und eine Essenz herauszuarbeiten, tagt ein Rat mit jeweils einer Person aus jeder Kleingruppe. Die so genannte Wertebeauftragte gleicht die Kleingruppen- Werte mit den Wertebeauftragten der anderen Kleingruppen ab. Uwe freut sich als Wertebeauftragter die Werte- Vorschläge seiner Kleingruppe zu vertreten.
Die Wertebeauftragten tagen und begutachten die 5-7 Werte, die jede Kleingruppe zuvor erarbeitet hat. Sie clustern und sortieren. Die Werte ähneln sich meist sehr und es lassen sich eindeutige Tendenzen daraus ableiten. Die Gruppe wählt, je nachdem wie viele Werte das Unternehmen haben möchte 4-7 Werte aus. Mit diesem Ergebnis gehen die Wertebeauftragten dann wieder zurück zu allen Führungskräften und Botschafter*innen und stellen ihre Auswahl vor.
Es gilt: Nur wenn jemand ein klares Veto hat, werden die Werte nochmal verändert, ansonsten verlässt man sich auf den Vorschlag der Gruppe.
Die Wertebeauftragten in Waldemars Unternehmen einigen sich auf folgende Werte:
- Flexibilität (gelb)
- Transparenz (gelb)
- Team (grün)
- Kundenbegeisterung (orange)
- Nachhaltigkeit (türkis)
Nachhaltigkeit wird nach langer Diskussion noch mit aufgenommen, weil Julia, die Personalerin, betont, dass dieser Wert sehr vielen Menschen – und eben auch sehr vielen Bewerber*innen und potenziellen Mitarbeiter*innen – sehr wichtig sei: „Wenn wir uns für die Zukunft gut aufstellen wollen, müssen wir uns hier positionieren!“ Dass die jungen Leute begonnen haben auf ihren Planeten und somit auch auf Nachhaltigkeit zu achten leuchtet seit Fridays for Future jedem ein. Der Wert ist drin.
Uwe ist zufrieden mit der Auswahl. Er kann sich damit gut identifizieren und durch die Gespräche mit seinen Kolleg*innen weiß er, dass deren Werte hier ebenfalls gut abgebildet sind.
8. Schritt zum Wertewandel: Leitsätze entwickeln
Führungskräfte und Botschafter*innen treffen sich. Die Wertebeauftragten stellen die fünf Werte vor und erzählen, warum sie sich darauf geeinigt haben. Es wird abgestimmt. Niemand zieht die Veto-Karte. – Ein voller Erfolg: Die Werte sind allgemein akzeptiert.
In Kleingruppen beschäftigt man sich mit den Werten:
- Was bedeuten diese Werte denn jetzt für uns?
- Welche Leitsätze können wir daraus ableiten, um Orientierung zu haben?
- Welches Verhalten gehört zu den Werten dazu?
Was hierbei total hilft ist die Vorarbeit aus dem letzten Workshop und natürlich die Gespräche mit dem Mitarbeiter*innen. Es schält sich schnell heraus, wohin die Reise gehen soll.
Jetzt heißt es auf Basis der Werte konkrete Leitsätze zu entwickeln, um die Werte im Alltag lebendig werden zu lassen.
Bei InPu wird lange darüber diskutiert, mit welchem Leitsatz man das Thema „konstruktiven Umgang mit Fehlern“ beschreiben sollte. Am Ende macht Abteilungsleiterin Doris den Vorschlag, unter dem Wert Transparenz einen Leitsatz zu „Aus Fehlern lernen“ zu formulieren. Waldemar findet im Stillen, dass die Diskussion darüber fast schon wichtiger ist als das Ergebnis selbst. Denn die Angst vor Fehlern sitzt tief und behindert Entwicklungen, sorgt dafür, dass jeder seine Ideen für sich behält und Verantwortung meidet.
Es ist Waldemar – und vielen anderen schon öfter aufgefallen, dass Führungskraft Armin große Probleme hat loszulassen und zu vertrauen: Auf Fehler reagiert er oft sehr ungehalten. Wenn er den Raum betritt, legen seine Untergebenen oft vorsorglich die Ohren an. Von ihm will keiner Feedback bekommen.In der Diskussion ist Armin recht still, doch Waldemar hat irgendwie das Gefühl, dass Armin etwas verstanden hat. Die Zukunft wird es zeigen.
9. Schritt des Wertewandels: Werte ins Unternehmen tragen
Große Schritte sind getan; Ergebnisse liegen vor: Werte und Leitsätze sind fertig gestellt.
Jetzt geht es darum, die Kommunikation mit allen Mitarbeiter*innen zu gestalten. Sie brauchen die Möglichkeit, die neuen Werte zu diskutieren und Wege zu deren Umsetzung zu finden.
Großgrupenkonferenz
Im ersten Schritt wird eine Großgruppenkonferenz mit allen Kollegen*innen einberufen. In einer sehr lebendigen Präsentation, an der sich alle Botschafter*innen und Führungskräfte beteiligten, werden die neuen Werte vorgestellt. Die Mitarbeiter haben die Gelegenheit, Resonanz zu geben und Fragen zu stellen.
Dialoge und Gesprächsrunden
Im zweiten Schritt werden die Botschafter*innen ausgestattet mit Gesprächsleitfäden. Jetzt geht es darum, dass sie wieder mit den von ihnen vertretenen Kolleg*innen in den Dialog gehen und im miteinander in kleiner Runde diskutieren, wie man diese Werte ins Leben rufen kann. Ziel ist es, eine Diskussion anzuzetteln:
- Das sind unsere Werte – wie doll leben wir die denn gerade?
- Und wenn nicht – was fehlt uns?
- Wo genau sollten wir ansetzen?
- Was können wir als Team tun?
- Was kann jeder einzelne tun?
So erörtert das Team welchen Haltungen grundlegend sind und welche konkreten Handlungen daraus folgen, so dass der Wertewandel gelebt werden kann.
Uwe ist stolz auf sich. Mittlerweile klappt das mit der Workshop-Moderation schon ganz gut. Und außerdem macht es ihm Spaß, sich mit den Kolleg*innen über Themen wie Werte und Kultur auszutauschen. Aber es ist nicht nur die Freude am lebhaften Gespräch – Uwe merkt, dass es sinnvoll ist und grundlegend für anstehende Veränderungen. Gleichzeitig ist ihm klar, dass ein langer, nicht immer einfacher Weg bevorsteht. Denn ein paar Diskussionen machen noch keinen Kulturwandel…
Unternehmensübergreifende Handlungsfelder
Erfreulicherweise werden die Ergebnisse aus den Workshops zusammengefasst und auch unternehmensübergreifende Handlungsfelder abgeleitet.
Ein Handlungsfeld ist beispielsweise der Führungsstil bei InPu. Frei nach dem Sprichwort der Fisch stinkt am Kopf ist sich Waldemar im Klaren darüber, dass die Führung noch einiges an Optimierungsspielräumen hat.
Waldemar bespricht sich mit Julia, der Personalerin, wie man das Thema am besten angehen könnte. Sie vereinbaren eine Workshopreihe für alle Führungskräfte. Sie wollen die Wirkung von Führung auf die Unternehmenskultur zu diskutieren; Führungskräfte für die eigene Verantwortung in Sachen Kultur sensibilisieren – und Alternativen zu bisherigen Führungsstilen aufzeigen.
Es ist Waldemar klar, dass er hier dran bleiben muss. Ebenso, dass er hier als Vorbild voran gehen muss. Mißtrauisch beäugt er sein eigenes Verhalten. Häufiger ertappt er sich dabei, dass er jetzt eine Entscheidung, die er früher ratzfatz getroffen hätte nicht trifft. Manchmal bremst er sich erst in letzter Minute…
Stattdessen lässt er nunmehr seine Kolleg*innen machen und mischt sich nicht ins Ergebnis ein. Es fällt ihm schwer, insbesondere, wenn der Kollege einen anderen Weg wählt als Waldemar dies getan hätte. Dann muss er sich oft auf die Zunge beißen und zu einem Lächeln zwingen. Aber: es geht! Und es kommen viele praktikable Lösungen zutage auf die Waldemar im Leben nicht selbst gekommen wäre.
Cocktailworkshop
Die InPu Botschafter*innen wie Uwe arbeiten mit homogenen Teams, also mit Menschen aus den selben Abteilungen. Zusätzlich finden Workshops statt an denen Mitarbeiter*innen aus dem gesamten Unternehmen abteilungsübergreifend teilnehmen. Wir nennen diese Zusammenkünfte Cocktailworkshops, weil es darauf ankommt die Mitarbeiter*innen möglichst bunt durchzumischen wie einen guten Cocktail. Denn so sind verschiedene Perspektiven vertreten. Hier werden dann Themen erörtert die für das gesamte Unternehmen und die Zusammenarbeit zwischen einzelnen Abteilungen wichtig sind.
In Waldemars Unternehmen stellt sich heraus, dass mehrere Abteilungen durch individuelle Zielvereinbarungen in einem Konkurrenzverhältnis stehen. Das macht es schwierig den gewünschten Wert „Team“ zum Blühen zu bringen. So wird ein Projekt aufgesetzt, um dieses Hindernis aus dem Weg zu räumen.
10. Individuelle Probleme lösen
Nur weil Probleme erkannt und benannt werden, sind sie noch lange nicht gelöst.
Uwes Abteilung reklamiert, dass Führungskraft Doris die angestrebten Werte nicht lebt und nicht möglich macht. Doris will die Zügel nicht wirklich aus der Hand geben und so fährt sie zwar die offizielle Linie von mehr Selbstorganisation und Entscheidungsfreiheit seitens der Mitarbeiter*innen, aber: sie hat auf alles ein Auge, kontrolliert wo sie kann. Wann immer Birgit etwas im Sinne der Kunden entscheidet, steht sie im Gegenwind made by Doris. Die Mitarbeiter*innen wünschen sich, dass sich diesbezüglich etwas ändert.
Armins Team hat andere Schwierigkeiten: „An der Schnittstelle zu unserem Nachbar-Team merken wir, dass wir da zu starre Prozesse haben. Das dauert immer ewig! Da müssen wir einen Prozess ändern.“ Hier müssen sich die Betroffenen zusammensetzen und neue, flexible Abläufe etablieren, die allen Anforderungen genügen.
Durch das klare Benennen von Kultur, Problemen und einer gemeinsamen Vision, vor allem aber durch das Miteinander-Sprechen ist wesentlich mehr Offenheit im Unternehmen entstanden. Dies macht es für die Mitarbeiter*innen sehr viel einfacher, konkrete Team-individuelle Themen zu benennen, die dann bearbeitet werden können. Die Mitarbeiter*innen haben erfahren, dass Veränderung gewollt ist und dass sie angehört werden. Und jetzt trauen sie sich auch mal aus der Deckung hervor und zeigen Problemstellen auf. Sogar Kritik an Führungskräften kommt auf den Tisch.
Manchmal ist es ausreichend intern Probleme zu besprechen und gemeinsam Lösungen zu suchen; manchmal braucht es für solch spezifische Probleme aber auch eine professionelle Moderation von außen.
– Falls die gebraucht wird: fragt uns! Wir machen das gern.
Und jetzt? – Der Alltag im Wertewandel
Die Diskussion zum Thema Werte im eigenen Unternehmen sollte keine einmalige Angelegenheit bleiben. Ideal ist es regelmäßige Termine dafür zu etablieren, so dass immer wieder nachjustiert werden kann. Dadurch dass die Belegschaft sich mit dem Thema befasst, werden Gespräche darüber immer einfacher.
Ein Wertewandel ist ein längerer Prozess, der weitergeführt werden sollte!
Monatlicher Puls-Check
Einmal im Monat gibt es bei Inpu nun einen Puls-Check, um online kurz abzufragen, wie die Werte aus Sicht der Mitarbeiter gerade gelebt werden. In einem Online-Treffen mit wechselnder Belegschaft wird das Ergebnis gezeigt, die Hintergründe für gute oder schlechte Werte beleuchtet und Maßnahmen ergriffen. Damit bleibt das Thema Unternehmenskultur lebendig. Jede*r einzelne ist sich bewusst, dass sich ihr/sein Verhalten im Puls-Check widerspiegeln wird. Durch die regelmäßigen Diskussionen werden die angestrebten Werte im Bewusstsein gehalten. Mit den Diskussionsrunden quer durchs Unternehmen stärkt sich nebenbei auch das Team-übergreifende Wir-Gefühl.
Wie lange dauert ein Wertewandel?
Das war der Auftakt, der Beginn eines Wertewandels.
„Gut“, sagt Waldemar „das war für uns alle notwendig, wir haben viel gelernt. Es läuft auch deutlich besser. Nicht nur miteinander – das Geschäft läuft auch besser. Aber: wann sind wir denn jetzt endlich fertig mit diesem Wertewandel? Wie lange dauert der Spaß denn noch?“
Nun ja…
Eine Kultur ändert sich nur langsam!
Eine Strategie kann man innerhalb von 100 Tagen ändern, eine Struktur innerhalb von einem Jahr, eine Kultur braucht Jahre. Ja richtig gelesen: Jahre.
In einem Unternehmen verändert sich die Kultur innerhalb von drei Jahren grundlegend, in einem anderen Unternehmen braucht es zehn Jahre.
Ein Kulturwandel ist in jedem Fall ein langwieriger Prozess; es ist ein Marathon und kein Sprint.
Maßgeblich für die Schnelligkeit der Veränderung ist die Frage wie dieser Prozess weiter begleitet, gelebt und von den Menschen im Unternehmen in die eigene Verantwortung genommen wird.
Veränderungen pflegen sich allmählich zu vollziehen. Das Ausmaß des Wandels ist größer, als wir es täglich spüren.
Richard von Weizsäcker
Und du so?
In deinem Unternehmen quietscht und knarzt es auch an allen möglichen Ecken? Mitarbeiter*innen meckern frustriert, es geht nicht recht voran, irgendwie könnte irgendwas besser werden – nur was genau?
Wie genau es bei dir weiter gehen könnte, können wir natürlich erst sagen, wenn wir das Werteprofil deines Unternehmens gesehen haben.
Lass Dich überraschen! 🙂 Und sprich uns gerne an.
Studien & Lektüre zum Thema Wertewandel
Langer Artikel, aber du hast immer noch nicht genug vom Thema Wertewandel? Na dann haben wir hier noch ein bißchen Lesestoff für dich.
Artikel
Mit dem Thema Werte, Unternehmenskultur und Cultural Change haben wir uns schon ein wenig beschäftigt. Hier unsere Artikel zu verwandten Themen:
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Studien
1. Die Gallup Studie hat sich auch 2020 mit dem Thema Motivation und emotionale Bindung der Mitarbeiter ans Unternehmen befasst. Hier kannst du die Ergebnisse der Studie – unter Angabe deiner Daten – als pdf downloaden.
2. Der amerikanische Soziologe Ronald Inglehart hat schon in den 70er Jahren in der westlichen Welt einen einschneidenden Wertewandel von materialistischen (Vermögen und Besitztum) zu postmaterialistischen Werten (Selbstverwirklichung und Kommunikation) ausgemacht
3. Der Vermarkter Ad Alliance hat die Einstellungen und Werte der Deutschen nach zehn Monaten Pandemie in Deutschland untersucht.
4. „Der deutsche Werte-Index wird alle zwei Jahre von Professor Peter Wippermann und Jens Krüger veröffentlicht und gemeinsam mit dem Forschungsteam von Kantar sowie dem Trendbüro erhoben. Der Werte-Index zeigt die aktuelle Top 10 im Wertewandel in unserer Gesellschaft. Basis dafür sind die Untersuchung von rund 3,3 Millionen Postings in deutschsprachigen Social-Media-Kanälen. Im Zuge der Corona-Krise wurde für den Werte-Index 2020 ein Corona-Update veröffentlicht.“
5. Der Wertewandel in der Arbeitswelt durch die Generation Y: Wie Unternehmen bei der Personalführung sinnvoll reagieren und agieren können von Max Leo Rodeck: ebook
6. ValUES & VISIONS 2030 Was uns morgen wichtig ist – von Hannes Fernow, Mirjam Hauser, Björn Huber: Kurzversion
7. GIM foresight Studie: Der schwarze Schwan COVID-19. Die Zukunft nach Corona
8. Studie ZUKUNFT VON WERTVORSTELLUNGEN DER MENSCHEN IN UNSEREM LAND, Studienleitung: Cordula Klaus, Dr. Christian Grünwald, Michael Astor, im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF),
9. Arbeitswelten 4.0 – 2018 Deloitte-Erfolgsfaktoren-Mittelstand-Arbeitswelten-2018.pdf
Videos
ZDF Dokumentation. „Aufbruch am Arbeitsplatz- Der Wertewandel bei der Arbeit“ von Saskia Heim