Wertemanagement: Was Menschen wirklich wichtig ist
Das Wertesystem nach Graves ( Graves Values System Model/ GVS)
Egal, ob im Unternehmen oder zuhause: Was den einen glücklich macht, regt den anderen auf. Der eine konzentriert sich auf das Anhäufen von Geld und Gut, doch dem Nächsten ist das alles nichts wert. Er sieht den Sinn des Lebens darin, anderen zu helfen. Beide stecken viel Energie in die Umsetzung ihrer Träume. Doch das Treiben des jeweils anderen beäugen sie kritisch. Schnell wird der eine als “ein habgieriger Kapitalist” tituliert, der andere “ein realitätsferner Gutmensch”. Welten prallen aufeinander.
Konflikte entstehen. Warum ist das so? Was motiviert Menschen? Was ist ihnen wirklich wichtig?
Gleich vorneweg: es gibt nicht die eine Sache oder Art und Weise, die für alle die Richtige wäre. Verschiedene Menschen haben verschiedene Werte. Ein solches Wertesystem ist zum einen persönlich begründet, wurzelt aber auch in der Kultur, in der ein Mensch aufwächst und lebt. Doch man kann man sich die verschiedenen Werte genau anschauen und so tiefere Einsicht in die Entstehung von Konflikten und in Entwicklungs-Möglichkeiten gewinnen. Hierbei ist das Graves-Value-System ein mächtiges Werkzeug.
Im vorhergehenden Artikel haben wir darüber gesprochen, was Werte sind und dass sie unsere treibende Kraft darstellen. Wir haben uns damit beschäftigt, wieso es im Unternehmenskontext wichtig ist, die Werte der Mitarbeiter zu respektieren und sie in die Führung mit einzubeziehen. In diesem Artikel wollen wir den Werten als solchen auf den Grund gehen. Wir stellen das Wertesystem nach Graves vor. Mit Hilfe dieses Wertesystems lassen sich die Werte, die einen Menschen motivieren bis hin zu den Werten, die ganzen Kulturen zugrunde liegen, abbilden.
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Wie das Graves- Wertesystem entstand
Das Graves-Value-System ist ein psychologisch-soziologisches Modell und wurde vom Psychologieprofessor Clare W. Graves (1914-1986) in´s Leben gerufen. Don Beck und Chris Cowan entwickelten dieses Modell weiter. Es wurde erstmals 1996 im Buch „
Spiral Dynamics“ veröffentlicht.
Immer wieder wurde Professor Graves von seinen Studenten die gleichen Fragen gefragt: Ob er erklären könne, warum Menschen unterschiedlich sind, warum manche sich entwickeln, andere aber nicht, warum es so viele unterschiedliche Ansichten darüber gibt, was wirklich wichtig ist und woran man erkennt, dass ein Mensch sein höchstes menschliches Entwicklungsziel erreicht hat.
Angetrieben durch diese Fragestellungen untersuchte Professor Graves, nach welchen Mustern und Regelmäßigkeiten Entwicklungen von Personen und Gruppen stattfinden.
In einer seiner Studien stellte er seinen Versuchspersonen die Frage: “Wie definierst du eine gesunde Person?”
Er ging davon aus, dass Menschen eine “gesunde Person” so beschreiben, wie sie das höchste Level ihrer eigenen persönlichen Entwicklung definieren. – Das heißt die bestmögliche Person, die sie nach ihren Maßstäben sein können.
Die Frage stellte er den selben Versuchspersonen wiederholt über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Oftmals gaben die Befragten durchgehend immer wieder die selbe Antwort. Jedoch gab es auch Versuchspersonen, deren Beschreibung einer gesunden Personen sich mit den Jahren deutlich veränderte. Er verglich die Veränderungen bei verschiedenen Versuchspersonen und stellte fest, dass alle Versuchspersonen sich nach dem gleichen Muster veränderten.
Zudem fiel ihm auf, dass diese Entwicklungszyklen nicht nur in der persönlichen Entwicklung, also in einer Mikro-Perspektive stattfinden, sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene, der Makro-Perspektive. Letzteres bedeutet, dass er aufgrund der von ihm entdeckten Entwicklungsmuster Vorraussagen darüber treffen konnte, wie sich eine Kultur entwickeln wird:
Betrachtet man die am höchsten entwickelten Individuen einer Gesellschaft, dann gibt dies Aufschluss darüber, in welche Richtung die Gesellschaft sich verändern wird. Denn Individuen spiegeln die Wertvorstellungen einer Gesellschaft und eine Gesellschaft spiegelt die Werte der Individuen, die in ihr leben.
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Warum sich Menschen, Systeme und Kulturen verhalten, wie sie es tun
Das Graves-Value-System gibt einen hervorragenden Überblick darüber, was Menschen motiviert, wie sie denken, wie sie Dinge beurteilen, was für sie Bedeutung hat. Graves entdeckte Wertesysteme, die aus Glaubenssätzen über die Welt, Grundhaltungen und Werten bestehen. Er nannte diese Meme. Meme sind sich selbst verbreitende Ideen, Gebräuche oder Kulturpraktiken.
In den letzten 100.000 Jahren hat sich ein Mem nach dem anderen entwickelt. Das heißt zu unterschiedlichen Zeiten waren den Menschen unterschiedliche Sachen wichtig: Zum Beispiel gab es Zeiten, in denen Stärke und Dominanz zentrale Werte waren und diesen folgten Zeiten, in denen es wichtig wurde, sich in ein gesellschaftliches System mit Regeln einzuordnen. Verändert sich die Umwelt, so verändern sich auch die Werte der Menschen. Denn mit zunehmender Komplexität der Umweltbedingungen braucht es komplexere Wertesysteme, um als Mensch oder Gruppe zu bestehen. Ähnlich dem Aufbau einer Zwiebel bleiben die bisherigen Meme im Inneren eines Menschen wie Schichten bestehen. Die verschiedenen Meme sind in jedem Menschen, jeder Organisation oder Gesellschaft unterschiedlich stark ausgeprägt, so dass sich daraus jeweils ein ganz eigenes
Werteprofil ergibt. Eine solche Werte-Landschaft lässt sich mithilfe eines Werteprofils ermitteln. Diese Methode stellen wir im vierten Teil unserer Artikel Serie zum Thema Werte vor.
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Die Entwicklungsstufen
Graves bewertete die einzelnen Meme nicht. Nur weil ein Wertesystem das Neuere ist, ist es nicht zwangsläufig besser als die vorausgehenden. Die Entwicklungsstufe einer Kultur, eines Unternehmens oder eines Individuums ist per se weder gut noch schlecht.
Um die Qualität einer Entwicklungsstufe zu beurteilen, sollte man vielmehr betrachten, ob sie der Person oder dem Unternehmen hilft, sich an die bestehenden Umwelt-Gegebenheiten anzupassen. Das beste Wertesystem ist das, das mit den jeweiligen Lebens-Umständen am besten zurechtkommt.
Konflikte
Wir alle gehen durch verschiedene Entwicklungsstufen, wenn wir heranwachsen und reifer werden. Meist unterscheiden sich die Werte, die wir als Teenager hatten von unseren Werten als Erwachsener. Leider ist es so, dass Menschen in verschiedenen Entwicklungsstadien häufig nicht besonders gut miteinander kommunizieren können. So kann eine Person in einer fortgeschrittenen Entwicklungsstufe Dinge thematisieren wollen, die eine Person in einer früheren Entwicklungsstufe gar nicht wahrnehmen kann. Die Personen widersprechen sich nicht zwangsläufig, sie führen einfach nicht die selbe Konversation – bemerken dies aber meist nicht. Hier sind Missverständnisse bis hin zu Konflikten vorprogrammiert.
Interessanterweise werden Individuen in komplexeren Entwicklungsstufen von Menschen, in weniger komplexen Entwicklungsstufen, häufig als rückständig betrachtet. Ein gutes Beispiel ist ein Teenager, der seine Eltern für spießig und völlig unwissend hält. Wenn er sich aber aus der Pubertät heraus entwickelt hat, versteht er, welches Wissen und welche Fähigkeiten die Eltern die ganze Zeit gehabt haben. Der Teenager kann dies aber erst erkennen, wenn er sich dahin entwickelt hat. In Gruppen ist es häufig so, dass Einzelne, die sich zu einer komplexeren Entwicklungsstufe entwickelt haben, ausgegrenzt werden. Der Fortschritt wird von den Gruppenmitgliedern meist nicht als Fortschritt wahrgenommen, sondern als “seltsam” empfunden.
An dieser Stelle sei nochmals betont, dass ein komplexeres Wertesystem beziehungsweise ein “Fortschritt” nicht besser ist als vorausgehende Wertesysteme. Es ist entweder passend oder nicht passend. Denn: ändert sich die Umwelt – zum Beispiel bei einer Restrukturierung – dann kann es durchaus angebracht sein, in ein altes Wertesystem zurück zu kehren. Würde man dies nicht tun, so liefe man Gefahr auf der Strecke zu bleiben.
Anwendung des Graves-Value-Systems
Zusammenfassend lässt sich sagen:
- Das Graves-Werte-System hilft uns zu verstehen, wie Konflikte und Missverständnisse entstehen.
- Und es gibt uns Hinweise an die Hand, in welche Richtung wir uns weiter entwickeln – als Individuen und als Gesellschaft.
Dies macht das Graves-Modell so wertvoll: denn wenn wir wissen, wohin die Dinge sich entwickeln werden, erhöht sich unser Potential zu planen und zu führen deutlich.
Deshalb wird das Graves Values System Model (GVS) in der Beratung, Organisationsentwicklung, im Change-Management und in der Politik erfolgreich eingesetzt. Es bietet nicht nur Unternehmen die Möglichkeit einer Analyse der kulturellen Entwicklung. Das Graves Modell wird auch in Konfliktregionen eingesetzt: Nelson Mandela, Bill Clinton, Tony Blair nutzten die Graves- Theorie, um mit ihrer Hilfe politische Entscheidungen zu treffen.
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In unseren nächsten Artikeln zum Thema Werte
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